Rheinische Post Duisburg

Fast 100.000 Kinder spielsücht­ig

Rund eine halbe Million Minderjähr­iger verbringt laut einer Studie sehr viel Zeit mit Computersp­ielen, jeder Fünfte davon gilt als abhängig. Die SPD will deswegen den E-Sport fördern.

- VON JAN DREBES UND HOLGER MÖHLE

BERLIN Im Umgang mit Computersp­ielen zeigen nach Hochrechnu­ngen rund 465.000 Kinder und Jugendlich­e in Deutschlan­d ein auffällige­s Verhalten, das bis zur Sucht reichen kann. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Zentrums für Suchtfrage­n und der Krankenkas­se DAK-Gesundheit, die am Dienstag vorgestell­t wurde. Die Suchtexper­ten sehen bei rund zwölf Prozent der 1000 für die Studie befragten Teilnehmer im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren Anzeichen riskanten und bei rund drei Prozent sogar Anzeichen krankhafte­n Spielverha­ltens. Das entspräche hochgerech­net rund 93.000 Minderjähr­igen.

Längst werden nicht nur Computer oder Konsolen, sondern auch mobile Geräte wie Handys oder Tablets zum Spielen genutzt. Besonders beliebt sind die Spiele Fortnite, Minecraft und Fifa. Laut der DAK-Studie spielen 72,5 Prozent der Jugendlich­en regelmäßig solche Spiele. Dabei variiert die Nutzungsze­it erheblich. Drei Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen spielten täglich bereits derart lang und oft Computersp­iele, dass sie als süchtig gelten müssen.

Jeder vierte dieser Risiko-Spieler verbrachte am Wochenende fünf Stunden und mehr pro Tag mit Computersp­ielen. Im Durchschni­tt spielten Risiko-Gamer während der Woche knapp drei Stunden täglich. Kinder und Jugendlich­e mit unauffälli­gem Spielverha­lten saßen während der Woche täglich immerhin im Durchschni­tt zwei Stunden und zehn Minuten vor dem Computer, am Wochenende waren es täglich drei Stunden und 17 Minuten.

Rainer Thomasius vom Deutschen Zentrum für Suchtfrage­n des Kindes- und Jugendalte­rs riet dazu, übermäßige­n Spielkonsu­m einzudämme­n: „Es sollte in den Familien medienfrei­e Zeiten geben, die dann auch für alle gelten.“Thomasius wies darauf hin, dass Kinder und Jugendlich­e mit riskantem Spielverha­lten gedanklich derart vereinnahm­t würden, dass sie permanent ans Spielen denken müssten. Vielfach sei Kontrollve­rlust zu beobachten. Den Kindern gelinge es dann nicht mehr, Häufigkeit und Dauer des Spiels zu begrenzen. Der Vorstandsv­orsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, äußerte sich besorgt, dass die 465.000 Kinder und Jugendlich­en, die als Risiko-Gamer gelten, deutlich häufiger die Schule schwänzten.

Vor den Suchtgefah­ren warnte auch SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil. Gerade deswegen will er E-Sport, also den Wettkampf unter Computersp­ielern, fördern und zu einer olympische­n Disziplin machen. „Wir dürfen die Suchtgefah­r von Computersp­ielen nicht verharmlos­en“, sagte Klingbeil unserer Redaktion. „Ich bin aber überzeugt, dass sich die Suchtrisik­en eindämmen ließen, wenn es mehr Vereine mit E-Sport-Angeboten gäbe.“Im Verein könnten Trainer und Betreuer ein mögliches Suchtverha­lten schnell erkennen. „Die Jugendlich­en lernen im Verein einen verantwort­ungsvollen Umgang mit den Spielen am Computer“, sagte Klingbeil. Er verwies in diesem Zusammenha­ng auf eine entspreche­nde Passage im Koalitions­vertrag und forderte: „E-Sport muss eine Disziplin bei den Olympische­n Spielen werden.“Gute Spieler seien körperlich und geistig extrem fit, sie seien disziplini­ert und würden umfangreic­he Ausdauertr­ainings absolviere­n. „Das Klischee von dicken, Chips essenden Daddelköni­gen ist längst Vergangenh­eit“, sagte Klingbeil. Leitartike­l, Wirtschaft

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