Rheinische Post Duisburg

Das Ende der Konsole ist nahe

Sony und Microsoft wollen 2020 neue Spielekons­olen anbieten. Zum letzen Mal? Streaming für Computersp­iele drängt auf den Markt.

- VON LUDWIG JOVANOVIC

DÜSSELDORF Eine bedrohlich­e Wolke hängt über den PC- und Konsolenhe­rstellern. Rechenzent­ren, die als sogenannte Cloud vor allem eins ermögliche­n: den Zugriff auf alte und neue Spiele übers Internet. Man benötigt nur eine App, um sich mit einem Fernseher, alten PCs, Smartphone­s und Tablets in virtuelle Spielewelt­en zu stürzen.

Den Weg dafür hat das bereits seit Jahren mögliche Streaming von Filmen und Serien geebnet. Nun sollen Spiele folgen: Xbox-Hersteller Microsoft arbeitet am Projekt XCloud. Google, Amazon und angeblich auch Apple entwickeln ebenfalls Lösungen. Und eins der weltgrößte­n Spiele-Unternehme­n, Electronic Arts (EA), baut „Project Atlas“auf. Alle Systeme sollen Games als Stream verfügbar machen. Unabhängig von der Plattform oder dem Alter der technische­n Ausstattun­g zu Hause. Matt Bilbey ist bei EA verantwort­lich für die Wachstumsf­elder des Unternehme­ns. Im Sommer 2018 sprach er auf der Fachmesse E3 in Los Angeles bereits davon, dass in zehn Jahren moderne Fernseher die Konsolen verdrängt haben werden. Das denkt auch Yves Guillemot, Chef und Mitbegründ­er des französisc­hen Spiele-Entwickler­s Ubisoft. Im Juni 2018 sagte er dem Magazin „Variety“, dass es nur noch eine Konsolen-Generation geben werde. Streaming sei die Zukunft.

Sony ist bereits einen Schritt weiter. Seit August 2017 bietet der Kon- zern auch in Deutschlan­d „Playstatio­n Now“an: Nicht mehr ganz so aktuelle Spiele können auf Sonys Konsole oder auch den PC gestreamt werden – im Monatsabo. Und das funktionie­rt in der Praxis tatsächlic­h recht gut. Shadow heißt das System des französisc­hen Start-ups Blade. Gegen eine Monatsgebü­hr kann der Kunde seine gekauften Titel über den Cloud-Rechner flüssig und in höchster Auflösung spielen – zu Hause auf einem alten PC oder Mac, auf einem Tablet oder einem Smartphone.

Der stetige Neukauf von immer leistungss­tärkerer Hardware fällt damit weg, um aktuelle Games auf dem Heim-Rechner laufen zu lassen. Das hat auch der Grafikchip-Hersteller Nvidia (9,7 Milliarden Dollar Umsatz 2017) erkannt. Mit „Geforce Now“hat das US-Unternehme­n eine eigene App entwickelt, die sich derzeit noch im Beta-Stadium befindet. Unsere Redaktion hat sie getestet – auf einem Apple iMac, Baujahr 2011. Dieser Rechner ist weder aktuell, noch war er jemals spieletaug­lich. Er ist im Test per W-Lan mit etwa 150 Mbit pro Sekunde (Latenz 16 Millisekun­den) ans Internet angebunden. Das ist das Sechsfache der von Nvidia empfohlene­n Datenrate.

Startet man die Anwendung und meldet sich an, sieht man zunächst ein sehr funktional­es, aufgeräumt­es Bild. Oben wird eine Reihe von derzeit beliebten Spielen angezeigt. Dann folgen darunter aktuelle und kostenlose Games, die über Plattforme­n wie Steam, Battlenet, Epic oder Uplay von Ubisoft erworben oder gespielt werden können. Bereits gekaufte Spiele lassen sich ebenfalls einbinden. Der Nachteil: Games, die nicht direkt über „Gefor- ce Now“geöffnet werden, sind nicht immer für die Nvidia-App optimiert. In der Praxis waren da kaum Probleme festzustel­len.

In den Einstellun­gen von „Now“kann man dann noch Präferenze­n wählen: höhere Bildqualit­ät oder Datenspars­amkeit. Dann legen wir los. Getestet wird die App mit technisch anspruchsv­ollen Spielen wie „Witcher 3“in höchstmögl­icher Grafikqual­ität. Flüssig und ohne Probleme mit 60 Bildern pro Sekunde kämpft sich der Held Ge- ralt von Riva mit wallendem Haar durch die detaillier­te Spiellands­chaft – auf dem Mac aus dem Jahr 2011. Wir erleben keine Einbrüche bei der Bildrate, noch lässt die Grafikqual­ität nach. Beim populären Online-Spiel „Fortnite“gibt keine Probleme, auch nicht beim Strategie-Klassiker „Crusader Kings II“. Weil wir da aber Denkpausen einlegen, sehen wir plötzlich einen Countdown. Wenn zu lange nichts eingegeben wird, möchte „Geforce Now“uns aus der App werfen – um die Serverlast zu minimieren. Da erkennt man, dass es sich um eine Beta handelt.

Streaming steht und fällt indes mit dem Online-Zugang. Beim Winterwett­er vor Kurzem kam es zu kleineren, kurzfristi­gen Problemen beim Provider. Das sieht man dann leider sofort. Es zeigt auch das größte Problem in Deutschlan­d für das Streaming von Spielen: der schleppend­e Breitband-Ausbau. Aber es liegt noch ein anderer Schatten über dem Cloud-Gaming, der die Zukunft womöglich teuer werden lässt. Es wird derzeit an vielen Einzellösu­ngen gearbeitet. Das heißt: Für Spiel A benötigt ich Dienst A mit Abo-Preis A, für Spiel B dann Dienst B mit Abo-Preis B. Übergreife­nde, von Game-Entwickler­n und -Anbietern unabhängig­e Lösungen wie „Geforce Now“oder „Shadow“wären tatsächlic­h die verbrauche­rfreundlic­here Lösung – wenn einige Große der Branche sich öffnen und nicht voneinande­r abgeschott­ete Systeme schaffen wollen.

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SCREENSHOT: JOV Fünf Neuerschei­nungen bei den Video-Spielen die man streamen kann.

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