Rheinische Post Duisburg

Mit Power, Pepp und Wumms

Fast 500 Mal ist die Düsseldorf­er Poetryslam­merin Aylin Celik schon aufgetrete­n. Im Zakk gibt sie regelmäßig Workshops.

- VON ROBIN HETZEL

„Power, Pepp und Wumms braucht es“, sagt sie. Ein tiefer, kontrollie­rter Atemzug und ein kleines verschmitz­tes Lächeln. Dann macht Aylin Celik vor, was sie meint. Aus vielen Wörtern, mit kraftvolle­r Stimme betont vorgetrage­n, wird ein rhythmisch­es Gedicht. Seit 2013 trägt die Düsseldorf­er Poetryslam­merin ihre mal lustigen, mal gesellscha­ftskritisc­hen Texte dem Publikum vor. Im Zakk gibt sie regelmäßig Workshops, in denen die 22-Jährige ihren Teilnehmer­n die besondere Kunst des Poetryslam­s nahebringt. Es ist eine Reise in eine eigene Welt.

Neugier und Erstaunen ist in den Gesichtern der 30 Workshop-Teilnehmer im Zakk zu sehen, als Celik anfängt, ihren neuesten Text „Zwischen den Zeilen“vorzutrage­n. Die meisten der Teilnehmer sind so alt wie Celik und bringen bereits eige- ne Poetryslam-Texte mit, doch sie so energisch und voller Gesten vorzutrage­n, ist für sie neu. Celik dagegen tut das mit großer Routine. „Meine Mama wollte früher immer, dass ich zwischen den Zeilen lese“, erklärt sie die Idee zum Text. „Ich habe mich immer gewundert: Da steht doch nix.“Doch mit der Zeit habe sie begriffen, dass dort die besten Themen für Poetryslam­s schlummert­en.

Die ersten Versuche, „zwischen den Zeilen zu lesen“, hat Celik in einem Poetryslam-Schulworks­hop gemacht. Ein anschließe­nder Auftritt im Musikraum ihrer Schule war der Anfang. „Es gab immer nur Theater-AGs. Damit konnte ich mich nie krass identifizi­eren. Aber eigene Texte nicht nur zu lesen, sondern zu performen, fasziniert­e mich.“Im Gegensatz zum Theater gebe es beim Poetryslam keine Skripte, die man vorgesetzt bekomme, sagt sie. „Auf der Bühne genieße ich die voll- kommene Freiheit, wie ich meine eigenen Worte vortrage.“

Ob rhythmisch wie ein Rap-Song, lyrisch wie ein Gedicht oder komplett ohne Reime – Grenzen gibt es beim Poetry Slam kaum. Aber Celik hat Vorlieben: Auftritte vor großem Publikum finde sie einfacher als im kleinen Kreis, erklärt sie den Einsteiger­n. „In großen Hallen erkennt man keine einzelnen Gesichter.“Bei humoristis­chen Texten erkenne man durch die Lacher schnell, ob es dem Publikum gefällt. „Bei ernsten Texten ist immer unklar, ob die Leute pennen oder mitfühlen.“

Es sich einfach machen und den bequemen Weg wählen, ist nicht Celiks Ding. Sie sagt, was sie denkt. Oftmals eckt die 22-Jährige damit an, polarisier­t und fasziniert zugleich. Die meisten ihrer Texte sind gesellscha­ftskritisc­h, handeln von Rechtsruck und Rassismus. Ein sexistisch­er Chef, der Celik und ihre weiblichen Kolleginne­n an die Kasse setzte, weil „das Einräumen von Regalen für ihn Männersach­e war“, so Celik, wird dann schnell einmal zur Inspiratio­nsquelle. Polarisier­en sei gut, sagt sie, schränke aber auch ein: „Einem mit dem Zeigefinge­r schwingend­er Oberlehrer will niemand zuhören.“Aufmerksam­keit für ihr Thema und ein Gefühl für die Lyrik möchte sie vermitteln.

Für Einsteiger sei das Thema aber nicht das Wichtigste. Sie erklärt den Workshop-Teilnehmer­n: „Schlechte Themen gibt’s nicht, nur schlecht vorgetrage­ne.“Unzählige Stunden hat sie früher vor dem Spiegel verbracht, um Texte zu üben. Nach mittlerwei­le hunderten Auftritten und dem dreimalige­n Erreichen des Halbfinale­s der deutschen Poetryslam-Meistersch­aft hat sie an Routine gewonnen.

Doch so ganz vertraut Celik der Slamwelt noch nicht: „Ich möchte auf jeden Fall mein Germanisti­k-Studium durchziehe­n und etwas Festes in der Hand haben.“Denn auch stressige Zeiten hat sie bereits erlebt. „Ich habe meine Hausarbeit­en im Zug geschriebe­n und bin mit dem Nachtzug direkt zum Uni-Seminar gedüst“, berichtet sie von einer Zeit, in der sie monatlich bis zu 15 Auftritte in ganz Deutschlan­d hatte. Mittlerwei­le lässt es Celik, die nebenbei im Zakk arbeitet, jedoch ruhiger angehen. „Bei sechs Auftritten ist die Freude über jeden einzelnen viel größer“, sagt sie. Dann könne man viel mehr Leidenscha­ft in einen Text legen. Oder wie sie es nennt: Power, Pepp und Wums.

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Die 22 Jahre alte Aylin Celik im Zakk. Hier arbeitet sie, gibt Workshops und tritt selbst auf.
FOTO: ANDREAS BRETZ Die 22 Jahre alte Aylin Celik im Zakk. Hier arbeitet sie, gibt Workshops und tritt selbst auf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany