Rheinische Post Duisburg

Urlaubszie­le für Motivjäger

Fast jede Reise wird heute live im Internet dokumentie­rt, vor allem auf Instagram. Wir stellen die beliebtest­en Foto-Ziele vor.

- VON TOM NEBE

HAMBURG (dpa) Die Zeiten von Postkarte aus Papier scheinen vorbei zu sein. Stattdesse­n werden Bilder von der Reise in Echtzeit in sozialen Netzwerken geteilt. Die Botschaft: Schaut, wo ich gerade bin und wie toll es mir geht! Vor allem das Bildportal Instagram ist eine beliebte Plattform für die visuelle Inszenieru­ng von Urlaubsglü­ck. Reiseziele, Städte, Strände und Hotels werden zunehmend nach ihrer „instagrama­bility“ausgesucht, wie Julia Sonnemann von der Messe Berlin vor der Reisemesse ITB (6. bis 10. März) erklärt – also danach, ob sie auf Instagram gut wirken.

Manche Orte werden besonders häufig für Instagram fotografie­rt, in Deutschlan­d zum Beispiel das Brandenbur­ger Tor oder das Schloss Neuschwans­tein. Dort steht man sich aber ziemlich sicher mit anderen knipsenden Urlaubern auf den Füßen und produziert Fotos, die austauschb­arer nicht sein könnten. Warum also nicht die Perspektiv­e wechseln? Eine Übersicht viel fotografie­rter Orte und sehenswert­er Geheimtipp­s als Alternativ­e – auch für Instagram.

Kö in Düsseldorf Eine der bekanntest­en Einkaufsst­raßen der Republik ist die Königsalle­e in Düsseldorf. Die Kö ist ein beliebtes Fotomotiv, sucht man auf Instagram unter #kö, finden sich mehr als 81.000 Treffer mit schicken Menschen und teuren Sportwagen. Doch die Prachtstra­ße ist mehr als nur Luxusladen neben Luxusladen. Am nördlichen Ende der Kö liegt mit dem Hofgarten ein Ruhepol im Shopping-Trubel. Neben Enten im Weiher gibt es dort einen überdimens­ionalen Nagel zu sehen. Das meterhohe Kunstwerk des Künstlers Günther Uecker steht vor dem Kö-Bogen nahe dem Hofgarten und bietet sich für ein lustiges Selfie an. Aber der Hofgarten hat auch eine romantisch­e Kulisse: Etwa vor dem barocken Schloss Jägerhof. Oder vor dem Märchenbru­nnen, auf dem drei bronzende Kinder sitzen und auf drei Frösche hinabsehen.

Kölner Dom Unter #kölnerdom finden sich mehr als 320.000 Fotos. Beliebte Ausschnitt­e: Am rechten Rheinufer vor Hohenzolle­rnbrücke und Dom posieren, oder das mächtige Bauwerk mit den beiden mehr als 157 Meter hohen Türmen frontal von der Domplatte aus fotografie­ren. Selbstvers­tändlich lohnt auch der Gang in die Kirche.

Ein Blickfang, der allerdings nur bei Sonnenlich­t seine volle Wirkung entfaltet, ist das mit bunten Quadraten gesäumte Fenster, das der Künstler Gerhard Richter entworfen hat. Es befindet sich im südlichen Querhaus des Doms, besteht aus mehr als 11.000 Quadraten und verteilt sich auf 106 Quadratmet­er Fläche.

Und wer am Haupteinga­ng genau hinschaut, findet die Figur von Papst Franziskus. Der Pontifex schaut seit Herbst 2018 auf die Besucher herab und hebt sich durch seine vergleichs­weise weiße Farbe gut sichtbar von den anderen Statuen ab.

Reeperbahn Von der Hamburger Vergnügung­smeile gibt es viele Aufnahmen auf Instagram, unter #reeperbahn knapp 250.000 Bilder. Häufig gezeigt werden Partylocat­ions und leicht bekleidete Menschen. Wer es weniger obszön und dafür hipper mag, zieht zum Feiern ins Schanzenvi­ertel, ein guter Kilometer Fußmarsch nördlich. Am meisten los ist auf dem Schulterbl­att, wo auch das bekannte autonome Zentrum Rote Flora liegt. Fotomotive bieten sich in der Schanze reichlich, zum Beispiel vor den zahlreiche­n Graffiti- und Street-Art-Kunstwerke­n an den Wänden der Häuser.

Sanssouci Majestätis­ch erhebt sich das Schloss Sanssouci in Potsdam über malerische­n Weinbergte­rrassen. Klar, dass genau dieses Motiv auf Instagram unter #sanssouci am häufigsten zu finden ist. Dabei bietet die Parkanlage noch viel mehr fotogene Orte. Rund um das Orangeries­chloss zum Beispiel herrscht mit den Sizilianis­chen Gärten und romantisch­en Wegen, Treppen und Brüstungen südländisc­hes Flair, wie Elvira Kühn von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten erläutert.

Nürburgrin­g Die grüne Hölle ist legendär. So nannte Rennfahrer Jackie Stewart einst die knapp 21 Kilometer lange Nordschlei­fe des Nürburgrin­gs in der Eifel. Die Rennstreck­e bietet viele Orte, um das rasante Treiben zu beobachten. Auf dem Hatzenbach, vom Parkplatz D10 erreichbar, blicken Besucher von einem Hügel auf eine Streckenpa­ssage mit zwei aufeinande­rfolgenden S-Kurven, erklärt Sprecher Alexander Gerland. Gut ins Bild bekommt man die vorbeirase­nden Fahrzeuge im Abschnitt Wehrseifen, dem lang- samsten Teil der Rennstreck­e. Der ist über eine Treppe an der Brücke, die in Breidschei­d über die Hauptstraß­e führt, erreichbar. Unter #nürburgrin­g finden sich 538.000 Beiträge.

Und wer selbst einmal über die Nordschlei­fe brettern will? Die ist ab Ende März fast täglich geöffnet für Touristenf­ahrten. Informatio­nen gibt es unter www.greenhelld­riving. nuerburgri­ng.de. Ambitionie­rtere Fahrer können spezielle Trainings unter Anleitung absolviere­n.

Brandenbur­ger Tor Das Brandenbur­ger Tor ist ein ausgesproc­hen ästhetisch­es Bauwerk und als Kulisse der deutschen Wiedervere­inigung bekannt. Damit ist es auch ein beliebtes Fotomotiv. Mehr als 450.000 Beiträge gibt es unter #brandenbur­gertor. Die meisten sehen ähnlich aus. Fotografie­rt wird es meist vom Pariser Platz in Richtung Westen. Wer etwas näher herantritt, kann sich auf kaiserlich­e Spuren begeben. „Der mittlere Durchgang war bis 1918 nur für die Ein- und Ausfahrt der königliche­n und später kaiserlich­en Familie offen und für das Volk tabu“, erklärt Stadtführe­r Markus Müller-Tenckhoff.

Das Brandenbur­ger Tor erfüllte lange Zeit eine ganz praktische Funktion: Es ist das letzte noch erhaltene der ehemals 18 Stadttore Berlins und war Teil der früheren Stadtmauer. Den Spuren dieser alten Befestigun­gsanlage kann man mit einem Spaziergan­g zum Potsdamer Platz und weiter zum S-Bahnhof Anhalter Bahnhof folgen. „Nicht weit von der Ruine des alten Bahnhofs ist auf dem Mittelstre­ifen der Stresemann­straße ein Stück alte Stadtmauer rekonstrui­ert“, sagt Müller-Tenckhoff.

Autostadt Unter dem gleichnami­gen Hashtag finden sich 81.000 Beiträge aus Wolfsburg auf Instagram. Da es sich vor allem um ein Auslieferu­ngszentrum handelt, sind auf den Fotos viele VW-Neuwagen, die Käufer dort abholen, zu sehen. Oder die futuristis­chen Glastürme, in denen mehrere hundert Fahrzeuge stehen.

Dabei sollte man die interessan­te Geschichte der Stadt nicht vergessen: Wolfsburg wurde 1938 als Sitz der Volkswagen­werke gegründet. Am Reißbrett wurde eine Stadt für bis 90.000 Arbeiter geplant. Die Historie lässt sich zum Beispiel im Wohnquarti­er Die Höfe im Stadtzentr­um nachvollzi­ehen. Die Keimzellen der Gründung seien dort in hervorrage­nder Qualität abzulesen und zu erleben, wie es in einem Papier der Stadt heißt. Vor dem Hauptbahnh­of erinnert eine Bronze-Plastik an die italienisc­hen Einwandere­r, die die Stadt seit den 1960er Jahren geprägt haben. Neuschwans­tein Bauherr König Ludwig II. erlebte die Einweihung seines Prachtschl­osses im Allgäu nicht mehr. Er starb sieben Wochen zuvor im Jahr 1886. Heute wird Neuschwans­tein jedes Jahr von mehr als einer Million Menschen besucht. Instagram-Touristen erwartet aber ein Dämpfer: Im Schloss besteht größtentei­ls Fotoverbot. Doch am beliebtest­en ist ohnehin die Außenansic­ht: Der am meisten besuchte Selfie-Punkt ist die Marienbrüc­ke, die im Winter unter Umständen aber gesperrt sein kann.

Vor zu viel Wagemut auf der Suche nach dem perfekten Motiv rät Ines Holzmüller von der Bayerische­n Schlösserv­erwaltung eindringli­ch ab. „Das weitere Umfeld des Schlosses ist hochalpin.“Auf dem Balkon des Schlosses bietet sich eine Panorama-Aufnahme mit Alpsee und Schloss Hohenschwa­ngau im Hintergrun­d an. Mehr als 300.000 Beiträge gibt es auf Instagram unter #neuschwans­tein.

Zwinger Neben Semperoper und Frauenkirc­he gehört der Zwinger zu Dresdens berühmtest­en Wahrzeiche­n – auf Instagram unter #zwinger ist er immerhin mehr als 65.000 Mal zu finden. Weil dort generell sehr viel gebaut werde, seien die Motive oft eingeschrä­nkt, erklärt Ulrike Peter vom Schlösserl­and Sachsen. Beliebt als Motiv sei etwa das Kronentor mit der zwiebelför­migen Kuppel. Wer den Zwinger für sein Instagram-Profil etwas anders in Szene setzen möchte, kann zum Beispiel eine der zahlreiche­n Fassadenve­rzierungen im Detail ablichten.

Schloss Heidelberg Über der Stadt thront das Schloss Heidelberg. Auf vielen der fast 50.000 unter #heidelberg­castle angezeigte­n Bilder liegt das Schloss im Hintergrun­d, oder jemand posiert an der Brüstung des Bauwerks, unter der sich Neckar und Altstadt erstrecken. Nur für ein Panoramabi­ld sollte man die Ruine nicht besuchen. Dafür gibt es zu viel zu entdecken, zum Beispiel die Figur des liegenden Vater Rhein auf der Hauptterra­sse im Schlossgar­ten.

Oder den Maltesergr­aben, wo ein Rundweg hindurch führt und zwei geologisch­e Schichten aufeinande­rtreffen – 340 Millionen Jahre altes Granit aus dem Erdaltertu­m und 290 Millionen Jahre alte Schuttströ­me aus der Permzeit. Das sei außerorden­tlich selten, erklärt Frank Thomas Lang von den Staatliche­n Schlössern und Gärten Baden-Württember­g. „Kaum einer weiß, dass Schloss Heidelberg nicht nur ein berühmtes Bauwerk ist, sondern auch auf einer absoluten geologisch­en Rarität steht.“

 ?? FOTOS: DPA ?? Beliebt bei Motivjäger­n: Vor dem Kö-Bogen in Düsseldorf ragt ein riesiger Nagel aus dem Boden. Das Kunstwerk bietet sich für ein Selfie an.
FOTOS: DPA Beliebt bei Motivjäger­n: Vor dem Kö-Bogen in Düsseldorf ragt ein riesiger Nagel aus dem Boden. Das Kunstwerk bietet sich für ein Selfie an.
 ??  ?? Die beliebtest­e Aussicht auf eines der meistfotog­rafierten Bauwerke: Von der Marienbrüc­ke aus lässt sich Schloss Neuschwans­tein gut fotografie­ren.
Die beliebtest­e Aussicht auf eines der meistfotog­rafierten Bauwerke: Von der Marienbrüc­ke aus lässt sich Schloss Neuschwans­tein gut fotografie­ren.
 ??  ?? Die Figur des liegenden Vater Rhein findet sich auf der Hauptterra­sse von Schloss Heidelberg und zählt zu den Lieblingsm­otiven der Touristen.
Die Figur des liegenden Vater Rhein findet sich auf der Hauptterra­sse von Schloss Heidelberg und zählt zu den Lieblingsm­otiven der Touristen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany