Bischöfe planen Disziplinargerichte
Die deutschen Bischöfe haben auf ihrer Frühjahrsvollversammlung beschlossen, sich bei der juristischen Aufarbeitung von Missbrauchsfällen von Rom zu lösen. Der Dachverband der Missbrauchs-Opfer ist enttäuscht: „Das war nichts!“
LINGEN Deutschlands katholische Bischöfe wollen eigene Disziplinargerichte schaffen, um Priester, die Missbrauchstäter geworden sind, schneller aus dem kirchlichen Dienst entlassen zu können. Bisher mussten Verfahren zur Laisierung von Geistlichen immer umständlich über Rom erfolgen. „Wir bleiben dran, dass im Sinne der Professionalisierung und Beschleunigung solcher Verfahren eigene Gerichte eingerichtet werden“, sagte der Missbrauchsbeauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, am Mittwoch vor Journalisten in Lingen. „Dafür brauchen wir von Rom die Genehmigung, aber die lassen wir uns geben.“Auch ein eigenes Gericht für Bischöfe, die ihre Aufgaben nicht hinreichend wahrnehmen, könnte es möglicherweise geben.
Im Lingener Ludwig-Windhorst-Haus, einer kirchlichen Volkshochschule im ländlichen Emsland, sind Deutschlands katholische Bischöfe noch bis morgen zu ihrer Frühjahrsvollversammlung zusammen. Im Zentrum steht das weitere Vorgehen der katholischen Kirche im Umgang mit dem sexuellen Missbrauch. Denn obwohl die Kirche sich bereits seit den 2010 bekanntgewordenen Missbrauchsfällen am Berliner Canisius-Kolleg um Aufarbeitung bemüht, scheint man an manchen Stellen nicht voranzukommen. Ackermann musste am Mittwoch einräumen, dass es in den 27 Bistümern zwar Ansprechpersonen für den sexuellen Missbrauch gebe. Sie seien aber nicht in allen Diözesen unabhängig. „Da ist noch Luft nach oben“, sagte Ackermann. Zudem gebe es noch keine einheitliche Aktenführung bei den Personalakten der Kleriker. „Ziel ist es, Standards zu entwickeln, die sicherstellen, dass Missbrauchsbeschuldigungen künftig in allen Diözesen verbindlich, einheitlich und transparent dokumentiert werden und es für die Personalverantwortlichen zu keinen Informationslücken kommt.“Dass das erst „künftig“der Fall sein soll, zeigt ebenfalls, dass die Katholiken hier noch nicht sehr weit gekommen sind.
Gearbeitet wird derzeit auch an einem einheitlichen Leitfaden für die Aufarbeitung in den Diözesen. Hier sind die Bischöfe nach Angaben Ackermanns mit dem Unabhängigen Beauftragten für den Sexuellen Kindesmissbrauch der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, im Gespräch. Auf dessen Anregung soll auch das Verfahren für Anerkennungsleistungen, die die Kirche an bis zu 1900 Missbrauchsopfer ausgezahlt hat, überarbeitet werden. In Lingen berieten die Bischöfe daneben auch über die vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, als „systemische Ursachen“benannten Faktoren, etwa den Zölibat. In einem Vortrag zur „Zukunft der priesterlichen Lebensform“empfahl der Mainzer Theologe Philipp Müller die Weihe verheirateter Männer ab 50 Jahren, so genannter „Viri Probati“, zum Priesteramt sowie eine bessere spirituelle und psychologische Betreuung junger Geistlicher. Und der Salzburger Professor Gregor Maria Hoff warn- te vor einer Selbstsakralisierung der Kirche und einem Missbrauch religiös begründeter Macht.
Bei Opfervertretern herrschte indes vorerst Enttäuschung vor. Der Sprecher des Eckigen Tisches, des Dachverbands der Missbrauchsopfer am Berliner Canisius-Kolleg, Matthias Katsch, beschränkte sich auf Anfrage dieser Zeitung am Mittwoch lediglich auf zwei Sätze als erste Bewertung. „Das war nichts“, sagte Katsch. „Die Antworten der Bischöfe auf die drängenden Fragen der Opfer sind ungenügend.“Am Wochenende hatte Katsch noch klare Forderungen an die Adresse der katholischen Kirche erhoben. So
sprach sich Katsch etwa für „klare Schritte“hin zu einer unabhängigen Aufarbeitung und für eine angemessene Entschädigung für die Opfer aus. Auch die Ordensgemeinschaften sowie die kirchlichen Träger der Jugendhilfe sollten darin einbezogen werden.
Jedenfalls dürfte die katholische Kirche auch nach der Frühjahrsvollversammlung ihr großes Ziel verfehlen, das weithin verlorene Vertrauen der Gläubigen wie der Öffentlichkeit zurückzugewinnen. Am Morgen hatte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode seinen Mitbrüdern bereits deutliche Worte mit auf den Weg gegeben. „Nur eine Kirche, die reinen Herzens ist, sich in die Karten schauen lässt und transparent ist, lauter und ohne Doppelmoral, die sich der Wirklichkeit stellt, wird Vertrauen wiedergewinnen“, so Bode. „Nur eine Kirche, die mit Besitz und Eigentum transparent und verantwortungsvoll umgeht, die der Option für die Armen dient und selbst einfach lebt und handelt, wird Vertrauen wiedergewinnen.“Doch bis dahin ist der Weg wohl noch lang und steinig.