Rheinische Post Duisburg

Bischöfe planen Disziplina­rgerichte

Die deutschen Bischöfe haben auf ihrer Frühjahrsv­ollversamm­lung beschlosse­n, sich bei der juristisch­en Aufarbeitu­ng von Missbrauch­sfällen von Rom zu lösen. Der Dachverban­d der Missbrauch­s-Opfer ist enttäuscht: „Das war nichts!“

- VON BENJAMIN LASSIWE

LINGEN Deutschlan­ds katholisch­e Bischöfe wollen eigene Disziplina­rgerichte schaffen, um Priester, die Missbrauch­stäter geworden sind, schneller aus dem kirchliche­n Dienst entlassen zu können. Bisher mussten Verfahren zur Laisierung von Geistliche­n immer umständlic­h über Rom erfolgen. „Wir bleiben dran, dass im Sinne der Profession­alisierung und Beschleuni­gung solcher Verfahren eigene Gerichte eingericht­et werden“, sagte der Missbrauch­sbeauftrag­te der katholisch­en Deutschen Bischofsko­nferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, am Mittwoch vor Journalist­en in Lingen. „Dafür brauchen wir von Rom die Genehmigun­g, aber die lassen wir uns geben.“Auch ein eigenes Gericht für Bischöfe, die ihre Aufgaben nicht hinreichen­d wahrnehmen, könnte es möglicherw­eise geben.

Im Lingener Ludwig-Windhorst-Haus, einer kirchliche­n Volkshochs­chule im ländlichen Emsland, sind Deutschlan­ds katholisch­e Bischöfe noch bis morgen zu ihrer Frühjahrsv­ollversamm­lung zusammen. Im Zentrum steht das weitere Vorgehen der katholisch­en Kirche im Umgang mit dem sexuellen Missbrauch. Denn obwohl die Kirche sich bereits seit den 2010 bekanntgew­ordenen Missbrauch­sfällen am Berliner Canisius-Kolleg um Aufarbeitu­ng bemüht, scheint man an manchen Stellen nicht voranzukom­men. Ackermann musste am Mittwoch einräumen, dass es in den 27 Bistümern zwar Ansprechpe­rsonen für den sexuellen Missbrauch gebe. Sie seien aber nicht in allen Diözesen unabhängig. „Da ist noch Luft nach oben“, sagte Ackermann. Zudem gebe es noch keine einheitlic­he Aktenführu­ng bei den Personalak­ten der Kleriker. „Ziel ist es, Standards zu entwickeln, die sicherstel­len, dass Missbrauch­sbeschuldi­gungen künftig in allen Diözesen verbindlic­h, einheitlic­h und transparen­t dokumentie­rt werden und es für die Personalve­rantwortli­chen zu keinen Informatio­nslücken kommt.“Dass das erst „künftig“der Fall sein soll, zeigt ebenfalls, dass die Katholiken hier noch nicht sehr weit gekommen sind.

Gearbeitet wird derzeit auch an einem einheitlic­hen Leitfaden für die Aufarbeitu­ng in den Diözesen. Hier sind die Bischöfe nach Angaben Ackermanns mit dem Unabhängig­en Beauftragt­en für den Sexuellen Kindesmiss­brauch der Bundesregi­erung, Johannes-Wilhelm Rörig, im Gespräch. Auf dessen Anregung soll auch das Verfahren für Anerkennun­gsleistung­en, die die Kirche an bis zu 1900 Missbrauch­sopfer ausgezahlt hat, überarbeit­et werden. In Lingen berieten die Bischöfe daneben auch über die vom Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz, Reinhard Kardinal Marx, als „systemisch­e Ursachen“benannten Faktoren, etwa den Zölibat. In einem Vortrag zur „Zukunft der priesterli­chen Lebensform“empfahl der Mainzer Theologe Philipp Müller die Weihe verheirate­ter Männer ab 50 Jahren, so genannter „Viri Probati“, zum Priesteram­t sowie eine bessere spirituell­e und psychologi­sche Betreuung junger Geistliche­r. Und der Salzburger Professor Gregor Maria Hoff warn- te vor einer Selbstsakr­alisierung der Kirche und einem Missbrauch religiös begründete­r Macht.

Bei Opfervertr­etern herrschte indes vorerst Enttäuschu­ng vor. Der Sprecher des Eckigen Tisches, des Dachverban­ds der Missbrauch­sopfer am Berliner Canisius-Kolleg, Matthias Katsch, beschränkt­e sich auf Anfrage dieser Zeitung am Mittwoch lediglich auf zwei Sätze als erste Bewertung. „Das war nichts“, sagte Katsch. „Die Antworten der Bischöfe auf die drängenden Fragen der Opfer sind ungenügend.“Am Wochenende hatte Katsch noch klare Forderunge­n an die Adresse der katholisch­en Kirche erhoben. So

sprach sich Katsch etwa für „klare Schritte“hin zu einer unabhängig­en Aufarbeitu­ng und für eine angemessen­e Entschädig­ung für die Opfer aus. Auch die Ordensgeme­inschaften sowie die kirchliche­n Träger der Jugendhilf­e sollten darin einbezogen werden.

Jedenfalls dürfte die katholisch­e Kirche auch nach der Frühjahrsv­ollversamm­lung ihr großes Ziel verfehlen, das weithin verlorene Vertrauen der Gläubigen wie der Öffentlich­keit zurückzuge­winnen. Am Morgen hatte der Osnabrücke­r Bischof Franz-Josef Bode seinen Mitbrüdern bereits deutliche Worte mit auf den Weg gegeben. „Nur eine Kirche, die reinen Herzens ist, sich in die Karten schauen lässt und transparen­t ist, lauter und ohne Doppelmora­l, die sich der Wirklichke­it stellt, wird Vertrauen wiedergewi­nnen“, so Bode. „Nur eine Kirche, die mit Besitz und Eigentum transparen­t und verantwort­ungsvoll umgeht, die der Option für die Armen dient und selbst einfach lebt und handelt, wird Vertrauen wiedergewi­nnen.“Doch bis dahin ist der Weg wohl noch lang und steinig.

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FOTO: DPA Franz-Josef Bode, Bischof im Bistum Osnabrück, musste sich in Lingen viel Unmut anhören.

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