Rheinische Post Duisburg

Chemnitzer Erwartunge­n

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Justiz steht nicht nur für angemessen­e Strafen und gerechte Urteile, sie führt mit ihrer sorgfältig­en Sachverhal­tsermittlu­ng auch immer wieder zur Befriedung in aufwühlend­en Streitfrag­en. Das ist vom Dresdner Prozess gegen einen mutmaßlich­en Täter der tödlichen Messeratta­cke in Chemnitz kaum zu erwarten. Die Stadt war sofort voller Gerüchte, voller widersprüc­hlicher Augenzeuge­nwahrnehmu­ngen, voller Aussagen, die mal zugespitzt und dann wieder zurückgeno­mmen wurden. Vor allem fehlt immer noch der zweite mutmaßlich Beteiligte.

Wenn Oberbürger­meisterin Barbara Ludwig trotzdem sagt, ein Freispruch wäre „schwierig“, dann ist das im Ansatz nachvollzi­ehbar, wenn man einzig die zu erwartende­n Reaktionen auf einen möglichen Freispruch in den Blick nimmt. Aber diese Einschätzu­ng behält man dann für sich, bespricht sie allenfalls mit den Sicherheit­sbehörden für die Lagebeurte­ilung am Tag der Urteilsver­kündung. Die Aussage öffentlich zu tätigen, ist verhängnis­voll für das Verständni­s vom Rechtsstaa­t. Und sie ist politisch töricht, kommt sie doch einer indirekten Einladung an interessie­rte Kreise gleich, im Falle eines Freispruch­s erst einmal für „schwierige“Zustände zu sorgen. Mancher scheint in der sächsische­n Stadt überforder­t zu sein. BERICHT CHEMNITZ-PROZESS: VERTEIDIGU­NG WILL . . ., TITELSEITE

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