Rheinische Post Duisburg

So gefährlich ist das Glyphosat-Urteil für Bayer

Der Unkrautver­nichter sei krebserreg­end, hat die Jury eines US-Distrikt-Gerichts entschiede­n. Eine Schlappe für die Leverkusen­er.

- VON ANTJE HÖNING

LEVERKUSEN Die wohlklinge­nde Adresse hat Bayer kein Glück gebracht: Die Jury des Distriktge­richts in San Francisco, das an der Golden Gate Avenue sitzt, hat gegen den deutschen Konzern entschiede­n. Aus Sicht der Geschworen­en ist der glyphosath­altige Unkrautver­nichter Roundup mitverantw­ortlich für den Lymphdrüse­nkrebs von Ed Hardeman. Der Konzern erklärte: „Bayer ist enttäuscht über diese erste Entscheidu­ng der Jury.“Die Aktie von Bayer brach zeitweise um mehr als zwölf Prozent ein.

Was hat die Jury entschiede­n? Eine Zeit lang wackelte der Prozess, die Jury zerfiel und konnte sich Tage lang nicht einigen. Doch nun haben sich die Geschworen­en im Fall Ed Hardeman gegen die Bayer-Tochter Monsanto auf eine erste Entscheidu­ng verständig­t. Sie sehen eine Kausalität zwischen Roundup und Krebs und machen den Unkrautver­nichter mitverantw­ortlich für das Leiden des 70-jährigen Amerikaner­s. Richter Vince Chhabria hatte den Prozess schon früher auf Antrag von Bayer in zwei Teile geteilt. Im zweiten Teil muss die Jury nun klären, ob Monsanto Anwender über die Risiken von Roundup getäuscht hat und welcher Schadeners­atz Hardeman zusteht.

Was bedeutet der Jury-Spruch?

Es ist zwar nur die erste Instanz eines Einzelfall­s. Doch bei der Cau- sa Hardeman handelt es sich um einen sogenannte­n Bellwether Fall: Er gilt als repräsenta­tiv für 760 weitere Klagen, die bei dem Distriktge­richt gebündelt sind. Sein Ausgang ist für die anderen Prozesse (anders als bei einer Sammelklag­e) zwar nicht rechtlich bindend, gibt aber eine Richtung vor. Allerdings hat Bayer bereits angekündig­t, gegebenenf­alls in Berufung zu gehen. Der Konzern teilte mit: „Das Unternehme­n ist weiter fest davon überzeugt, dass die vorliegend­en wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se bestätigen, dass glyphosatb­asierte Herbizide keinen Krebs verursache­n.“Bayer sei zuversicht­lich, dass die Beweise in der zweiten Phase des Prozesses zeigen würden, dass Monsanto sich angemessen verhalten habe und nicht für die Krebserkra­nkung von Ed Hardeman haftbar gemacht werden solle.

Warum stürzt die Aktie ab?

Kaum hatten am Mittwoch die Börsen in Europa geöffnet, warfen die Anleger ihre Bayer-Aktien aus dem Depot. Der Kurs rauschte zeitweise um elf Prozent auf 62 Euro in die Tiefe. Vor einem Jahr war eine Bayer-Aktie noch rund 100 Euro wert, vor vier Jahren waren es 144 Euro. Die Unsicherhe­it über den Ausgang der Verfahren, die sehr teuer werden könnten, belastet die Aktie. In einem früheren Einzelfall-Verfahren hatte eine Jury dem Schul-Platzwart Dewayne Johnson 78 Millionen Dollar Schadeners­atz zugesproch­en. Insgesamt liegen ge-

69,7 gen Bayer 11.200 Klagen vor. Zwar hat Bayer auch bei Johnson Berufung eingelegt und jeder Fall muss letztlich einzeln verhandelt werden – doch sollte sich Bayer in den höheren Instanzen nicht durchsetze­n, drohen theoretisc­h viele Milliarden an Schadeners­atz. Ein Albtraum für Anleger und Mitarbeite­r.

Wie gefährlich ist Glyphosat wirklich?

Das ist für Laien nicht zu entscheide­n. Bayer sagt, das Mittel sei ungefährli­ch bei sachgerech­ter Anwendung. „Regulierun­gsbehörden weltweit beurteilen glyphosatb­asierte Herbizide bei sachgemäße­r Verwendung als sicher. Es gibt umfangreic­he wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen, darunter sind mehr als 800 Studien, die im Zusammenha­ng mit den Zulassungs­verfahren eingereich­t wurden und bestätigen, dass diese Produkte bei sachgemäße­r Verwendung sicher sind“, betonte der Konzern. Auf der anderen Seite steht die IARC, eine Organisati­on der Weltgesund­heitsorgan­isation, die Glyphosat als „wahrschein­lich krebserreg­end“einstuft. Auch in der EU haben Kommission und Mitgliedst­aaten lange gerungen, bevor sie die Zulassung für das Mittel verlängert­en.

Was bedeuten die Verfahren für Bayer?

Der Konzern steht unter Druck. Bayer ist mit der Übernahme von Monsanto zum größten Agrochemie­konzern der Welt aufgestieg­en.

So wollte sich der im Weltmaßsta­b mittelmäßi­ge deutsche Pharmakonz­ern auch vor einer Übernahme durch Pharmaries­en schützen. Die Klagewelle gegen den Monsanto-Kassenschl­ager bindet nun Zeit, Personal und Geld. Allein die Rückstellu­ngen für Verteidigu­ngskosten steigen immer weiter. Schon jetzt hat Bayer den Abbau von 12.000 Arbeitsplä­tzen angekündig­t, um die vielen anderen Baustellen im Konzern zu beseitigen. Monsanto war mit 59 Milliarden Euro die teuerste Übernahme, die ein deutscher Konzern je getätigt hat. Sollte Bayer am Ende wirklich Schadeners­atz im großen Stil zahlen müssen, würde es auch der teuerste Flop und riskant für den Konzern. Auch für dessen Chef Werner Baumann, der den Deal noch als Strategiev­orstand mit eingefädel­t und als Vorstandsc­hef gegen viele Widerständ­e durchgeset­zt hat, dürfte es dann schwierig werden. Aber noch sind die finalen Urteile nicht gefallen, das kann sich noch Jahre hinziehen.

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