Rheinische Post Duisburg

„Momo“, der Kinderschr­eck

Die Horrorpupp­e versetzt Kinder und Jugendlich­e im Netz in Angst. Experten geben Eltern Tipps für den richtigen Umgang.

- VON SUSANNE HAMANN

DÜSSELDORF „Wenn du diese Nachricht nicht weiter leitest, kommt ,Momo’ nachts an dein Bett, knabbert dein Bein an und fängt an, dich aufzuschli­tzen“. So ähnlich lautete die Nachricht, die der zehnjährig­e Joel aus Düsseldorf gleich in mehreren WhatsApp-Gruppen bekommen hat. „Zusammen mit dem schrecklic­hen Bild von der Puppe mit den aufgerisse­nen Augen, der weißen Haut und diesen langen ausgefrans­ten Haaren war das eine echte Horror-Nachricht“, sagt seine Mutter Nadine Hofrichter (34).

Eigentlich wollte Joel davon gar nichts erzählen, aber dann bekam er nachts solche Angst, dass er zu seiner Mutter ins Bett gekrabbelt ist. „Ich habe Angst, dass Momo kommt“, habe er zu ihr gesagt. Schon die Geräusche der Hauskatze im Kinderzimm­er waren ihm zu viel. Fast zwei Monate lang konnte Joel nicht mehr alleine in seinem Zimmer schlafen.

Joels Erlebnis ist neun Monate her. Im Sommer 2018 ging die erste Welle von „Momo“-Kettenbrie­fen durch WhatsApp-Gruppen von Schülern in ganz Deutschlan­d. Ob die zweite Welle schon vorbei ist, ist bislang unklar. Sowohl die Polizei München, als auch der Fördervere­in Kinder- und Jugendhilf­e Neuss e.V. warnen immer noch vor neuen Posts. Denn Anfang März tauchte Horror-Momo wieder bei WhatsApp auf und plötzlich auch auf YouTube.

Betroffen waren wohl Kinder, die sich auf „Youtube Kids“die Serie „Peppa Wutz“ansehen wollten. In der britischen Zeichentri­ck-Serie geht es eigentlich um den Alltag ei- ner putzigen Comic-Ferkel-Familie. Die bunten Bilder und lustigen Dialoge wurden jedoch plötzlich durch einen Clip von Horror-„Momo“unterbroch­en. Die Puppe soll unflätige Begriffe benutzt und die Kinder dazu aufgeforde­rt haben, gefährlich­e Dinge zu tun, wie sich selbst zu verletzen.

„Momo-Challenge“wird diese Mutprobe im Internet genannt. Gesichert ist inzwischen: Sie ist wohl nur ein Gerücht. Ein Internet-Mythos, der durch Vermutunge­n verbreitet wurde. Doch selbst, wenn die Challenge nicht real ist, die Ängste der Kinder sind es. Und Unbekannte haben tatsächlic­h einzelne für Kinder gedachte Videos auf Youtube so präpariert, dass diese von einer schaurigen Botschaft unterbroch­en werden.

Allein bei Familie Hofreiter waren 2018 zwei Kinder von den gruslei- gen Kettenbrie­fen betroffen. „Mein Neffe hat diese Nachricht ebenfalls bekommen“, sagt Nadine Hofreiter. „Er geht auf eine Realschule in Mönchengla­dbach und war damals schon 13 Jahre alt. Er konnte viel besser damit umgehen.“Sowohl an der Realschule als auch an der Joels Grundschul­e in Mönchengla­dbach, auf die ihr Sohn Joel damals ging, war der Aufruhr wegen der Nachrichte­n groß, berichtet Hof-

richter. „Unheimlich viele Grundschül­er hatten Angst. Ich habe die Schule auch nach Informatio­nen für die Eltern und pädagogisc­he Hilfe für die Kinder gefragt, unternomme­n wurde aber nichts“.

Dabei wäre Hilfe von Experten durchaus angebracht, denn „Momo“stellt nicht nur Kinder, sondern auch Eltern vor eine Herausford­erung: Wie geht man richtig damit um? „Ich habe meinem Sohn damals gesagt, dass ich froh bin, dass er mit mir darüber redet und mir die Nachricht mit ihm angesehen“, sagt Hofreiter. „Dann habe ich ihm erklärt, woran man erkennt, dass die Puppe nicht echt ist.“Dann hätten sie die Nachrichte­n gelöscht, und Joel sei aus allen betroffene­n WhatsApp-Gruppen ausgetrete­n.

Laut Cyberpsych­ologin Catarina Katzer hat Hofrichter damit genau richtig gehandelt: „Ähnlich wie Joel trauen sich viele Kinder erstmal nicht, über solche Erlebnisse zu reden, weil sie Angst haben, dass man ihnen das Smartphone abnimmt“, sagt Katzer. „Eltern sollten deshalb signalisie­ren, dass Kinder sich mit allem an sie wenden können. Es ist wichtig, dass sie das Vertrau- en entwickeln, darüber zu reden.“Am besten sollten Eltern unabhängig davon, ob ein Kettenbrie­f gerade umgehe oder nicht, mit Kindern darüber sprechen, dass sie so etwas geschickt bekommen könnten und dass sie nicht reagieren müssten.

Klar ist: Niemand muss vor „Momo“Angst haben. Sie ist eine Kunstfigur. Hinter ihr steht also keine Person oder Gruppe, die die Bedrohung verbreitet. Die Puppe wurde von einer japanische­n Firma als Filmrequis­ite hergestell­t. Fotos wurden im Netz zweckentfr­emdet. Inzwischen soll die Firma die Puppe zerstört haben.

Kinder und Jugendlich­e in betroffene­n WhatsApp-Gruppen sollen nach der Horror-Puppe gezielt gegoogelt haben, um anderen Mitschüler­n Angst zu machen. „Bei Joel war das so. Mitschüler haben ihm Druck gemacht, als sie gesehen haben, dass er die Nachricht nicht weiter geleitet hat“, sagt seine Mutter. „Das sei schon eine Form von Cybermobbi­ng, sagt Katzer. Beleidigun­gen und Drohungen, die früher vor allem auf dem Schulhof stattgefun­den haben, würden sich immer mehr aufs Smartphone verlagern. „Das bedeutet auch, dass die Opfer sogar zu Hause nicht mehr vor den Anfeindung­en geschützt sind, weil sie ihr Smartphone mit ins Kinderzimm­er nehmen.“Eltern sollten ihren Kindern zeigen, dass sie sie ernst nehmen und es keine Kleinigkei­t ist, wenn man im Netz drangsalie­rt wird – egal, ob es sich dabei um eine Nachricht von Unbekannt oder von einem Mitschüler handele.

Bei Joel bleibt seitdem ein Nachtlicht an. So kann er sehen, ob sich nachts im Zimmer etwas bewegt.

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FOTO: DPA/TWITTER, MONTAGE: MARTIN FERL In WhatsApp-Kettenbrie­fen taucht die Horropuppe „Momo“immer wieder auf und fordert Kinder auf, die Nachricht weiterzule­iten. Tuen sie das nicht, soll etwas Schrecklic­hes geschehen.

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