Tschüss, altes Haus
Der „Weiße Riese“an der Friedrich-Ebert-Straße 10-16 steht seit fast 50 Jahren. Einst als moderne Wohnform gefeiert, ist das Leben im Hochhaus inzwischen unattraktiv. Ein Rückblick.
HOMBERG (dc) Zwischen den beiden Baustellenfotos liegt fast ein halbes Jahrhundert. Das eine zeigt den „Weißen Riesen“an der Friedrich-Ebert-Straße beim Aufbau, das andere das Gegenteil. So schließt sich der Kreis. Das Haus hat eine durchaus wechselhafte Geschichte hinter sich, wenn es am Sonntag um kurz nach 12 Uhr nur noch aus Betonteilen und Stahlresten besteht. Tschüss, altes Haus. Ein Rückblick.
Stadtentwicklung läuft in Epochen ab, so sagte es jüngst der zuständige Dezernent Andree Haack. Die späten 1960er-Jahre waren geprägt vom Hochhausbau. Nahezu jede Stadt wollte hoch hinaus, aus das damals noch selbstständige Homberg. Also entstanden die höchsten Wohnhäuser Hombergs, sie sind auch heute noch Duisburgs höchste Wohngebäude. Übrigens: Als der Bauherr Josef Kun 1973 pleite ging, waren die „Weißen Riesen“noch gar nicht komplett fertig. Andere Unternehmen sprangen ein und vollendeten Kuns Werk. Es galt als schick, in den modernen Wohntürmen zu leben. Es setzte ein schleichender Niedergang des Viertels ein und der Ärger vieler Menschen über Dreck, Müll, leere Ladenlokale und Silvesterkrawalle nahm stetig zu (wir berichteten mehrfach).
Der Ruhrorter Unternehmer Heinz Fromberger war es, der den Betrieb von Friedrich-Ebert-Straße 10-16 zum 30. April 2011 einstellt. Er siedelte die verbliebenen Bewohner in einen weiteren ihm gehörenden „Weißen Riesen“(Ottostraße 54/56) um. Der gehört bekanntlich inzwischen auch der Stadt, die ihn aktuell entmietet und ebenfalls sprengen will. Fromberger verkaufte den „Weißen Riesen“schließlich an eine Gesellschaft namens „Gegag Altro Mondo“, einem Unternehmen mit Sitz in Hannover, das zehntausende Wohnungen in Deutschland besitzt, auch in Hochheide. Der Pflegezu- stand soll oft mies sein, Bezirksbürgermeister Hans-Joachim Paschmann (SPD) und Stellvertreter Klaus Radny (CDU) sagen unisono: „Wenn ich den Namen ,Altro Mondo’ höre, geht mir der Hut hoch.“
Die Firma hatte zunächst große Pläne mit dem Wohnturm, für den es dem Vernehmen nach rund eine Million Euro bezahlt hat. Rund 16 Millionen Euro sollten unter dem Arbeitstitel „Grüner Riese“verbaut werden. Neue Wohnungszuschnitte sollte her, Erkennungsmerkmal sollten grüne Balkone werden. Dann wurde das Quartier zum Sanierungsgebiet erklärt, die Stadt bekam ein Vorkaufsrecht und kaufte Altro Mondo den Klotz ab.
Seit inzwischen gut zweieinhalb Jahren ist der Rheinhauser Bauingenieur Marc Sommer mit seiner Firma rebuild-ing im Stadtauftrag mit dem Abbruch des Gebäudes befasst. Bei der Ausschreibung bekam das Viersener Abbruchunternehmen Prangenberg&Zaum den Zuschlag als Generalunternehmer, für die Sprengung selbst zeichnet die Thüringer Sprenggesellschaft verantwortlich, auf den Auslöser drückt Sprengingenieur Martin Hopfe.
Bis das Gebäude aber in den sprengreifen Zustand versetzt werden konnte, gab es Hindernisse zu überwinden. „Wir haben zunächst entrümpeln müssen“, blickt Marc Sommer zurück. Die Menschen sei- en zwar ausgezogen, hätten aber alles, was sie nicht mehr brauchten, einfach in den Wohnungen und Kellern zurückgelassen. „800 Tonnen Sperrmüll haben wir hier herausgeschafft, hunderte Autoreifen, jede Menge Fahrräder, 200 Schallplatten und bestimmt 20.000 leere Flaschen.“Weiterer unschöner Fund: Asbest im Wandputz, der per Spezialverfahren gelöst und entsorgt werden musste. Das sorgte bekanntlich dafür, dass der Sprengtermin 3. September 2017 nicht gehalten werden konnte.
Im Gebäude befinden sich neben den Sprengladungen aktuell nur noch Beton und Stahl, Wertstoffe und Müll sind weg. Was üb- rig bleibt, füllt ab Sonntagmittag die riesige Baugrube rund um die beiden Kellergeschosse und die Tiefgarage. „Der Schutt bleibt hier, Metalle werden per Magnet herausgetrennt und recycelt“, so Sommer. Die 45.000 Tonnen werden zur Verfüllung benötigt und auch zum Aufschütten von Wällen am nächsten zu sprengenden Hochhaus. Das steht nur wenige Meter weiter, Ottostraße 24-30. Das seit Anfang der 2000er-Jahre leerstehende Gebäude könnte in zwei Jahren ebenfalls zu Schutt werden, die Ausschreibung läuft. Wer Generalunternehmer wird, ist noch nicht klar. Soviel steht aber fest: Als Projektleiter der Stadt bleibt Marc Sommer an Bord.