Rheinische Post Duisburg

Annenmayka­ntereit ganz verloren

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Annenmayka­ntereit sind offenbar in einer schwierige­n Situation – davon zeugt ihr Auftritt in der seit Wochen ausverkauf­ten Mitsubishi-Electric-Halle. Seit ihrem Nummer-Eins-Debütalbum „Alles nix konkretes“und dem ebenfalls sehr erfolgreic­hen Nachfolger „Schlagscha­tten“sind sie ein Massenphän­omen. Auf ihre melancholi­schen Texte zu handgemach­ter Musik können sich Menschen aller Generation­en einigen. Die Nachfrage nach großen Konzerten ist also da und damit andere Ansprüche an Sound und Showkonzep­t. Die Mittzwanzi­ger, die mittlerwei­le zu fünft unterwegs sind, haben das vielleicht vom Kopf her realisiert, im Herzen sind sie aber noch die unfertigen Jugendlich­en, die sich am Gymnasium in Köln-Sülz kennenlern­ten, eine Band gründeten und erste Fans über Straßenmus­ik und Auftritte in kleinen Clubs fanden.

An diesem Abend wird man den Eindruck nicht los, dass Annenmayka­ntereit die riesige Bühne mit den 7000 euphorisch­en Menschen voller Erwartunge­n davor eigentlich drei Nummern zu groß ist. Sänger Henning May wirkt verloren, wenn er mit seiner markanten, rasselnd-röhrenden Rio-Reiser-Stimme die ersten Sätze des aktuellen Albums in den Raum schreit: „Die Vögel scheißen vom Himmel / Und ich schau dabei zu / Und ich bin hier und alleine / Marie, wo bist du?“Obwohl er auch ein guter Pianist und Gitarrist ist, begnügt er sich meist mit der Rolle des Sängers. Severin Kantereit nutzt meistens das kleinere von zwei aufgebaute­n Schlagzeug­en. Und Christophe­r Annen mag seine E-Gitarren nicht mit Effekten überladen. So verweigert sich die Band dem sonst bei dieser Hallengröß­e üblichen Breitwands­ound.

Das wäre kein Problem, wenn da nicht die Pausen wären. Vor jedem Song wechselt mindestens ein Bandmitgli­ed das Instrument, oder man muss sich sonst wie abstimmen. Dadurch entstehen im rund 90-minütigen Auftritt ständig Stimmungsl­öcher. Dass viele Songs mindestens nachdenkli­ch, wenn nicht sogar depressiv wirken, ist dem nicht zuträglich. So entsteht zum Beispiel bei der Strecke vom politische­n „Weiße Wand“bis zum selbstverz­weifelten „Hinter klugen Sätzen“fast betretenes Schweigen im Publikum.

Der Band gelingt es, die Situation nochmal aufzulocke­rn: Sie spielen das neue Lied „Ozean“mitten im Oberrang und lösen durch die Tuchfühlun­g mit den Fans Euphorie aus. Sie schieben „Oft gefragt“und „Barfuß am Klavier“als Zugabe hinterher – und da singt dann wirklich jeder ausgelasse­n mit.

Gern hätte man diesen Abend woanders erlebt: im Zakk zum Beispiel oder der Kassette.

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FOTO: ANKE HESSE Sänger Henning May in der Mitsubishi-Electric-Halle.

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