Mehr Osteuropäer erhalten Hartz IV
Die Zahl der Sozialleistungsempfänger aus Bulgarien und Rumänien hat sich seit 2013 verdreifacht. Dem steht aber ein großer Erfolg gegenüber: Die Zahl der Beschäftigten stieg noch stärker.
BERLIN Gut 150.000 Bulgaren und Rumänen haben Ende November 2018 Hartz-IV-Leistungen in Deutschland erhalten. Ende 2013 waren es erst rund 45.000 gewesen. Damit hat sich fünf Jahre nach der Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für Personen aus diesen Ländern die Zahl der bulgarischen und rumänischen Hartz-IV-Empfänger mehr als verdreifacht. Das geht aus neuen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor. Noch stärker nahm seither aber die Zahl der in Deutschland beschäftigten Bulgaren und Rumänen zu: Sie stieg von gut 130.000 im Dezember 2013 auf deutlich über eine halbe Million – eine Vervierfachung in nur fünf Jahren.
Noch aussagekräftiger sind die Quoten. Wie aus Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur hervorgeht, kletterte die Quote der Hartz-Bezieher aus Bulgarien und Rumänien seit Ende 2013 um gut 2,6 Prozentpunkte auf heute knapp zwölf Prozent der erwerbs- fähigen Menschen aus diesen Ländern. Unter den Ausländern aus den 28 EU-Ländern insgesamt beziehen dagegen nur knapp acht Prozent das Arbeitslosengeld II. Gleichzeitig ist aber die Beschäftigungsquote – der Anteil der Erwerbstätigen unter allen erwerbsfähigen Bulgaren und Rumänen in Deutschland – um eindrucksvolle 25 Prozentpunkte auf heute 60 Prozent in die Höhe geschnellt. Unter den Ausländern aus allen EU-Ländern sind dagegen nur 55 Prozent beschäftigt.
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU erlaubt allen EU-Bürgern, in ein anderes Land einzuwandern, wenn sie dort einen Arbeitsplatz nachweisen oder ihre Existenz aus eigenen Mitteln bestreiten können. Für Rumänen und Bulgaren öffnete Deutschland seinen Arbeitsmarkt zum 1. Januar 2014, ein halbes Jahr später auch für Kroaten. Gerade die Öffnung für die ärmeren osteuropäischen Beitrittsländer hatte starke Befürchtungen ausgelöst, die Einwanderung in das deutsche Sozialsystem könne sich dadurch beschleunigen.
Die BA-Daten zeigen hingegen, dass der Zugewinn an neuen Arbeitskräften weitaus größer war als der Anstieg an Sozialleistungsempfängern. Die Integration Hunderttausender Bulgaren und Rumänen in den Arbeitsmarkt „ist eine absolute Erfolgsgeschichte und in der deutschen Wirtschaftsgeschichte einmalig“, sagte IAB-Migrationsforscher Herbert Brücker unserer Redaktion. Sie seien vor allem in der Bau- und der Landwirtschaft tätig.
Er räumte ein, dass zugleich die Zahl der Hartz-Bezieher vor allem aus Bulgarien deutlich gestiegen ist. „Wir müssen unterscheiden: Während heute nur sieben Prozent der erwerbsfähigen Rumänen Hartz IV beziehen, sind es bei den Bulgaren fast 22 Prozent“, sagte Brücker. Ende 2013 lag der Anteil der Hartz-IV-Bezieher unter den erwerbsfähigen Bulgaren erst bei knapp 14 Prozent. „Bei den Bulgaren haben wir eine Polarisierung: Da gibt es gut integrierte Gruppen – aber auch eine Gruppe, die dauerhaft nicht in den Arbeitsmarkt integriert ist“, sagte der IAB-Forscher. Viele seien zwar schon vor der Freizügigkeit in Deutschland gewesen, hätten jedoch damals noch keine Sozialleistungen bezogen. „Jetzt aber sind sie im Hartz-IV-Bezug.“Eine gezielte Einwanderung ins Sozialsystem könne das IAB aber nicht feststellen, betonte Brücker.
Leitartikel