Rheinische Post Duisburg

Was vom Westen übrig bleibt

Das Trump-Amerika beschädigt unsere Idee von der freien Welt.

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Wenn Donald Trump als Irrtum der Geschichte hoffentlic­h bald Historie ist, wird er dem Westen schweren Schaden zugefügt haben. Das dürfte wohl das am längsten nachwirken­de Echo auf diesen Sprengmeis­ter sein, der geistig weder die freie Welt führen will noch es könnte. Millionen Menschen fasziniert immer noch die Demokratie Amerika. Warum leistet sie sich jemanden mit dem Wortschatz eines Dreizehnjä­hrigen an der Spitze? Hören Sie im Internet der vor kurzem von Fox News verbreitet­en fahrig-kindischen Stellungna­hme Trumps zum Brexit zu, und Sie werden wissen, was „Fremdschäm­en“bedeutet. Das Trump-Amerika beleidigt durch Gedanken, Worte und Werke selbst treue Verbündete; aber vor allem besorgt es jene, die wie ich an die Strahlkraf­t der Idee der freien Welt unter Amerikas Führung glauben, dieser jedoch beim Faszinatio­nsschwund zuschauen müssen.

Zur Fairness gegenüber Trump gehört es, die Defizite des Flickentep­pichs Europa zu realisiere­n. In der Weltaußen- und Sicherheit­spolitik haben europäisch­e Pygmäen zu lange die Musik in Washington bestellt und sie sich größtentei­ls auch noch bezahlen lassen. Die turbokapit­alistische­n Exzesse der Wall Street wurden auch in Europa imitiert, das folgenschw­ere Kriegs- verbrechen im Irak fand 2002/2003 Zuspruch bei „moralische­n Großmächte­n“wie dem Briten Tony Blair und Angela Merkel. Der Historiker Ian Kershaw gehört zur Schwergewi­chtsklasse seiner Zunft. In seiner Betrachtun­g der Geschichte Europas von 1950 bis heute zeigt er kapitale Irrtümer des Westens auf: das Ausufern-Lassen eines Raubtier-Kapitalism­us ohne Maß und Mitte.

Die freie Welt bleibt die beste aller Welten. Sie besitzt das größte Potenzial. Sie muss es aber auch zum Guten nutzen.

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