Auch der Verfassungsschutz soll bei Whatsapp mitlesen dürfen
Innenminister Horst Seehofer will den Geheimdiensten mehr Rechte verschaffen. Behördengänge sollen bald komplett digital zu erledigen sein.
BERLIN Der Verfassungsschutz soll nach dem Willen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mehr Rechte erhalten, um die Kommunikation der Bürger zu überwachen und auch Minderjährige zu beobachten. Ein entsprechendes Gesetzesvorhaben bestätigte der Minister am Donnerstag bei der Vorstellung seiner Digitalstrategie. Bislang darf nur das Bundeskriminalamt nach dem Einpflanzen eines „Trojaners“die verschlüsselten Textnachrichten etwa bei dem Messengerdienst Whatsapp mitlesen. Das soll künftig auch dem Verfassungsschutz erlaubt sein. Zudem will Seehofer die derzeit bei 14 Jahren liegende Altersgrenze für die Beobachtung von Personen durch den Verfassungsschutz senken. Hier denkt das Innenministerium insbesondere an Minderjährige, die von ihren extremistischen Eltern von der Außenwelt abgekapselt werden, um sie zu einer neuen Generation von Terroristen zu erziehen.
Keine Bedenken hat Seehofer, dass der chinesische Konzern Huawei Ausrüstung für die künftigen 5G-Mobilfunkanlagen liefert. Den Schutz der Daten will er durch technische Vorkehrungen sowie durch eine Selbstverpflichtungserklärung der Ausrüster sicherstellen, die sowohl eine Anti-Spionage als auch eine Anti-Sabotage-Versicherung enthalte. Drohungen der USA, die Informationen für deutsche Geheimdienste zu reduzieren, sollte Huawei in Deutschland den Zuschlag erhalten, möchte Seehofer im Dialog begegnen.
In Kürze werde er dem Bundessicherheitsrat zudem Vorschläge vorlegen, um für den Fall gerüstet zu sein, dass aus dem Ausland die kritische Infrastruktur mit Cyberattacken akut gefährdet wird und ein Gegenschlag nötig wird. Weil diese Aufgaben derzeit bei den Bundesländern angesiedelt seien, hält Seehofer auch eine Verfassungsänderung für nötig. Obwohl sich auch die neu gegründete Cybertruppe der Bundeswehr auf derartige Szenarien vorbereitet, sagte Seehofer: „Bei aktiver Cyberabwehr möchte ich die Bundeswehr ausschließen.“Ministeriumsvertreter wiesen darauf hin, dass bei Bedrohungen, die aus dem militärischen Bereich kämen, die Angelegenheit im Cyberabwehrzentrum auch den deutschen Militärs übergeben würde.
Unter dem etwas sperrigen Titel „Onlinezugangsgesetz“will Seehofer bald mit den Vorbereitungen für eine komplette Umstellung der Behördengänge auf vereinfachte Internetabwicklung beginnen. Sein Ministerium simuliert in Laborversuchen, wie rund 575 Verwaltungsleistungen ab 2022 einfach per Klick erledigt werden können, um die umständlichen Antragsverfahren für Privatpersonen und Unternehmen abzukürzen. Derzeit seien in den Bundesländern etwa 14 verschiedene Formulare für das Beantragen des Wohngeldes im Umfang zwischen vier und 17 Seiten im Umlauf. Am Beispiel des Kindergeldes erläuterte das Ministerium die künftige Vereinfachung: Wenn das Kind geboren worden sei, würden ohnehin mit der Geburtsurkunde behördliche Daten gesammelt. Die könnten auch für die Kindergeldzahlungen verwendet werden, ohne dass noch ein gesonderter Antrag gestellt werden müsse. Nötig sei allerdings, gesetzlich den Zugriff der Verwaltung auf Bürgerdaten auszuweiten.