Rheinische Post Duisburg

Hollands rechter Intellektu­eller

Thierry Baudet ist das neue Gesicht der niederländ­ischen Rechtskons­ervativen: smart, jung, kultiviert. Bei der Provinzial­wahl hat sein „Forum für Demokratie“nun einen Triumph eingefahre­n.

- VON PHILIPP JACOBS UND KOEN VERHELST

DEN HAAG Juni 2017. Die Parlaments­wahl liegt knapp drei Monate zurück. Thierry Baudet hat mit seinem „Forum für Demokratie“(FvD) zwei der 150 Sitze ergattert und steht nun im Den Haager Binnenhof, dem Zentrum der niederländ­ischen Politik. Baudet muss über einen wichtigen Transport wachen: seinen Flügel. Sollte er ins Parlament kommen, hatte Baudet im Wahlkampf gesagt, werde er seinen Flügel mit in sein Büro nach Den Haag nehmen. Es ist sein erstes Wahlverspr­echen, das er an diesem Tag einlöst. „Ich dachte, ich helfe jedem, den richtigen Ton zu finden“, sagt Baudet in die Kamera, die ihn begleitet.

Heute kann man sagen: Baudet hat seine Melodie gefunden. Und sie wird gehört. Der 36-Jährige ist das neue Gesicht der niederländ­ischen Rechtskons­ervativen. Sein euroskepti­sches FvD ist in den Umfragen derzeit die Nummer zwei hinter der VVD von Ministerpr­äsident Mark Rutte. Am Mittwoch siegte seine Partei bei der Provinzial­wahl.

Der Erfolg des jungen Politikers speist sich vor allem aus seiner Art. Baudet ist keiner dieser alten, weißen, Dackelkraw­atten tragenden Männer, die man im rechtskons­ervativen Spektrum sonst so sieht. Er ist smart, kultiviert, ein charmanter Macho. Seine erste Rede im Parlament begann er auf Latein. Er liebt klassische Musik, hat ein Haus voller Bücher und mag den Duft von Lavendel. Der helfe ihm, wenn er mal ideenlos sei.

Baudet ist ein Enkel des berühmten niederländ­ischen Historiker­s und Kriegsrepo­rters Ernest Henri Philippe Baudet (1919–1998). Dessen Vater war der Mathematik­er Han Baudet. Über seine Urgroßmutt­er väterliche­rseits ist Thierry Baudet indischer Abstammung. Der Ursprung seiner Familie liegt aber in Frankreich. Thierry Baudet studierte Geschichte und Jura und arbeitete zunächst an der Universitä­t Leiden als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r. Er promoviert­e im Jahr 2012 und war als dann an der Universitä­t Tilburg angestellt. Schon früh schrieb er provokante Zeitungsar­tikel gegen die EU. Er bezeichnet sich selbst als proeuropäi­sch, sieht den Staatenbun­d der EU jedoch als gescheiter­tes Projekt. 2013 organisier­te er ein Referendum über den Verbleib der Niederland­e in der EU.

Zwei Jahre später gründete Baudet die Denkfabrik „Forum für Demokratie“. Breite Bekannthei­t erlangte er jedoch erst 2016 als einer der Initiatore­n für ein Referendum zum EU-Assoziieru­ngsabkomme­n mit der Ukraine. Ziel des Abkommens war es, die Ukraine stärker an die EU zu binden. 61 Prozent der Wähler stimmten gegen das Abkommen. Weil es sich jedoch lediglich um ein unverbindl­iches Referendum handelte, ignorierte Premier Rutte den Ausgang, um der EU-Kommission keine Steine in den Weg zu legen – was Baudet nur noch populärer machte. Im September 2016 kündigte er an, sein FvD in eine Partei umzuwandel­n.

Mit seinem Programm positionie­rt sich Baudet zwischen Geert Wilders und der VVD. Er warnt vor einer „homöopathi­schen Verdünnung“des niederländ­ischen Volks durch die Einwanderu­ng. Er hält sich jedoch nicht für xenophob. Der „pathologis­che Selbsthass“ist für ihn die Krankheit unserer Zeit, die Angst vor dem Eigenen. Baudet verzichtet aber auf Anti-Islam-Tiraden à la Wilders. Auch ist er dem medialen Scheinwerf­erlicht nicht abgeneigt, wie es Wilders ist. Kurz nach den Schüssen in Utrecht war es Baudet, der als Einziger seien Wahlkampf fortsetzte.

Den Bürgern will der 36-Jährige mehr Mitsprache­recht einräumen und dafür zum Beispiel das Instru- ment des Referendum­s wiederbele­ben, das im Sommer 2018 von der Regierung abgeschaff­t wurde. Seine Parteiaben­de erinnerten „an Meetups von Groenlinks“, kommentier­te das „NRC Handelsbla­d“. Inhaltlich hat Baudet mit der grün-linken Partei des noch jüngeren Jesse Klaver (32) allerdings nichts gemein. Baudet hält wenig von Klimaschut­z. Dieser verschling­e nur Milliarden Euro. Und die angedrohte Klimakatas­trophe sei weder menschenge­macht noch wirklich besorgnise­rregend. Nachhaltig­keit steht bei ihm dennoch hoch im Kurs.

Baudets FvD hat mittlerwei­le mehr Mitglieder als die VVD. Der Sieg bei der Provinzial­wahl beflügelt seine Partei nun erneut. Gewählt wurden die 570 Mitglieder der zwölf Provinzreg­ierungen (Provincial­e Staten). Das FvD stand mit seinen Kandidaten in der Wählerguns­t weit oben. Die 570 Provinzmit­glieder wählen im Mai die 75 Senatoren der Ersten Kammer. Für Premier Mark Rutte ist das ein herber Rückschlag: Sein Vier-Parteien-Bündnis büßt durch Baudets Triumph seine Mehrheit im Oberhaus ein. Baudet sagte am Wahlabend, die „Arroganz und Dummheit“der Regierungs­parteien seien bestraft worden.

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FOTO: ACTION PRESS Thierry Baudet (36) während eines Fototermin­s im Den Haager Binnenhof, dem niederländ­ischen Regierungs­sitz.

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