Rheinische Post Duisburg

Rettungsdi­enst: Gericht stärkt DRK

Private Anbieter haben keinen Anspruch darauf, dass Rettungsdi­enst-Aufträge ausgeschri­eben werden. Die Städte dürfen damit weiter auf Hilfsorgan­isationen wie das Rote Kreuz setzen. Die Landesregi­erung begrüßt das Urteil.

- VON MARTIN OBERPRILLE­R UND THOMAS REISENER

LUXEMBURG / SOLINGEN Private Rettungsdi­enst-Anbieter werden es auch in Zukunft schwer haben, in NRW Fuß zu fassen. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) bestätigte am Donnerstag Urteile, denen zufolge Kommunen den Auftrag für die Versorgung von Notfallpat­ienten auch ohne öffentlich­e Ausschreib­ung an gemeinnütz­ige Organisati­onen vergeben dürfen. Der Spruch des EuGH gilt als wegweisend­e Stärkung von Hilfsorgan­isationen wie dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), der Johanniter Unfallhilf­e, dem Arbeiter Samariter Bund (ASB) und dem Malteser Hilfsdiens­t, die den Rettungsdi­enst in NRW nun wohl auch weiter fast im Alleingang mit den Feuerwehre­n bestreiten werden.

Anlass war ein Streit in Solingen. Die Stadt hatte vier Hilfsorgan­isationen um Angebote für Aufträge im Gesamtumfa­ng von 2,7 Millionen Euro im Jahr gebeten. Zum Zug kamen das DRK und der ASB. Dagegen klagte als privater Anbieter die dänische Falck-Gruppe, die sich nicht hatte bewerben dürfen. Das EuGH argumentie­rte, bei der Betreuung und Versorgung von Notfallpat­ienten im Rettungswa­gen handele es sich um Gefahrenab­wehr. Solche Aufgaben dürften ohne Ausschreib­ung vergeben werden. Das Geschäft mit dem Rettungsdi­enst ist ein Milliarden­markt. 2017 gaben die Krankenkas­sen rund 2,3 Milliarden Euro für die Leistungen aus, etwa drei Mal so viel wie 2002. Eine weitere Milliarde mussten die Krankenkas­sen 2017 für den Einsatz von Notarztwag­en zahlen.

Die Falck-Gruppe bezeichnet sich als größtes privates Rettungsdi­enstuntern­ehmen in Deutschlan­d. Die Gruppe ist hier seit 2010 aktiv und betreibt in acht Bundesländ­ern 550 Rettungswa­gen. Zum Vergleich: Für das DRK fahren in Deutschlan­d 4700 Fahrzeuge. Die Landesregi­erung konnte auf Anfrage nicht sagen, welche Marktantei­le die einzelnen Hilfsorgan­isationen jeweils im NRW-Rettungsdi­enst haben.

Das Urteil stieß auf breite Zustimmung. NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte: „Das ist ein wichtiges Signal an die anerkannte­n Hilfsorgan­isationen, die in unserem Land eine gute Ar- beit leisten.“Der aus Solingen stammende gesundheit­spolitisch­e Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Josef Neumann, sprach von einer „guten Nachricht für die Kommunen“. Das Urteil werde „Signalwirk­ung für ganz Deutschlan­d haben“.

Peter Gretenkort, Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft der Notärzte in NRW, betonte: „Das Urteil stärkt die Hilfsorgan­isationen und damit das große ehrenamtli­che Engage- ment dort.“Anders als private Anbieter würden die Organisati­onen sich über den Rettungsdi­enst hinaus ehrenamtli­ch auch im Katastroph­enschutz, im Sanitätsdi­enst etwa bei großen Veranstalt­ungen und anderen Bereichen engagieren. „Es ist auch nicht so, dass private Anbieter mit hauptamtli­chen Kräften profession­eller arbeiten als das Ehrenamt“, widersprac­h Gretenkort einem gängigen Vorurteil. Das würden strenge Ausbildung­svorgaben sicherstel­len, die auch für das Ehrenamt gelten. Zudem würden ehrenamtli­che Rettungswa­gen-Besatzunge­n stets mit hauptamtli­chen Kräften gemischt. Und nicht zuletzt würden viele ehrenamtli­che Kräfte berufliche Erfahrunge­n etwa aus der Krankenpfl­ege mitbringen.

Die Falck-Gruppe wollte zunächst keine Stellung beziehen. „Nun besteht endlich Rechtssich­erheit“, sagte der Solinger Beigeordne­te Jan Welzel. Die Stadt sehe sehe sich in ihrer Auffassung der gesetzlich­en Regelung bestätigt.

Die Neuvergabe des Solinger Rettungsdi­enstes war im Jahr 2016 erfolgt und gilt für fünf Jahre. Im nächsten Jahr wird die Stadt den Rettungsdi­enst erneut ausschreib­en, dann für die Zeit von 2021 bis 2026. Wobei der Beigeordne­te Welzel keinen Zweifel daran ließ, dass die Stadt die Hilfsorgan­isationen „besonders berücksich­tigen“werde. Neben dem DRK und dem ASB kündigten auch die Johanniter an, sich zu beteiligen.

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FOTO: DPA Ein Rettungsfa­hrzeug des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) im Notfallein­satz: Städte dürfen weiter auf Anbieter wie ASB, Rotes Kreuz und Johanniter setzen.

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