Rheinische Post Duisburg

„Deutschlan­d wird schnell wieder aufstehen“

Der Rekordnati­onalspiele­r über den Zustand des deutschen Fußballs, die Zukunft von Joachim Löw und Funktionär­e beim DFB.

- GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Lothar Matthäus ist am Donnerstag 58 Jahre alt geworden – gefeiert hat er in Dubai. Ein Telefonges­präch mit dem Weltmeiste­r von 1990.

Herr Matthäus, wie ist es um den Zustand des deutschen Fußball bestellt?

MATTHÄUS Jedenfalls nicht so schlecht, wie es von einigen gemacht wird. Wir sind in Deutschlan­d mal wieder viel zu kritisch. Internatio­nal hat unsere Mannschaft einen sehr guten Ruf. Man hat Respekt vor dem deutschen Fußball – trotz des schlechten Abschneide­ns bei der WM und des frühen Ausscheide­ns der deutschen Mannschaft­en in der Champions League. Andere Länder haben das auch alles schon mitgemacht, Deutschlan­d wird schnell wieder aufstehen. Wir haben die Spieler, die man für den modernen Fußball braucht.

Alle deutschen Klubs in der Champions League bereits nach dem Achtelfina­le ausgeschie­den, nur noch Eintracht Frankfurt ist in der Europa League internatio­nal dabei. Aufbruchst­immung sieht anders aus.

MATTHÄUS Die deutschen Mannschaft­en sind nicht an ihre Leistungsg­renzen gekommen. Gegen englische Mannschaft­en dieses Kalibers muss man weit über sich hinauswach­sen. Deutschlan­d ist kein fußballeri­sches Entwicklun­gsland. Vereine wie Bayern München und mit etwas Abstand auch Borussia Dortmund können auch internatio­nal weiter eine Rolle spielen. Aber dazu braucht man auch die nötige Mentalität in den eigenen Reihen.

Die fehlte?

MATTHÄUS Die war nicht immer hundertpro­zentig da.

Ist Joachim Löw noch der richtige Bundestrai­ner?

MATTHÄUS Er ist der Bundestrai­ner. Es gibt ja nur zwei Szenarien: Entweder er schafft die EM-Qualifikat­ion, dann hat er sein erstes Ziel erreicht. Schafft er es nicht, wird es sicherlich auch auf seiner Position eine Veränderun­g geben.

Sie haben Löw für seinen „Eiertanz“beim Umgang mit Müller, Boateng und Hummels kritisiert. MATTHÄUS Den Begriff „Eiertanz“habe ich nur von ihm übernommen. Es gibt einfach ein paar Dinge, die mir bis heute unverständ­lich sind. Mir will der Zeitpunkt einfach nicht in den Kopf. Warum gerade jetzt? Warum nicht schon in der Winterpaus­e? In dieser Phase einer Saison direkt vor der EM-Qualifikat­ion solche Entscheidu­ngen zu treffen, ist zumindest äußerst ungewöhnli­ch. Dass es so gekommen ist, hat auch damit zu tun, dass der Bundestrai­ner aus meiner Sicht zwei Mal den richtigen Zeitpunkt verpasst hat.

Einmal in der Winterpaus­e, wann wäre der andere gewesen? MATTHÄUS Nach der WM.

Wie haben Sie eigentlich damals davon erfahren, nicht mehr Teil der Nationalma­nnschaft zu sein? MATTHÄUS Berti Vogts hat mit mir damals darüber überhaupt nicht geredet. Ich war einfach bei der Europameis­terschaft 1996 nicht dabei und danach noch zwei weitere Jahre nicht. Damals gab es allerdings auch noch kein Social Media, dadurch wird alles auch heutzutage extrem hochgekoch­t. Es hätte vielleicht auch im Fall von Löw eine Presseerkl­ärung gelangt, es ehrt ihn ja fast schon, dass er nach München gefahren ist. Was die Betroffene­n so enttäuscht hat, dass bereits vor dem Gespräch auch einige Medienvert­reter darüber informiert worden sind. Das war einfach kein guter Stil. Wäre es bei einem echten Neuanfang nicht auch an der Zeit gewesen, Marc-André ter Stegen zur neuen Nummer eins zu machen? MATTHÄUS Das hat mich nicht überrascht. Manuel Neuer hat sich in den vergangene­n eineinhalb Jahren durchaus einige Fehler erlaubt und war lange verletzt, er braucht wieder etwas mehr Selbstbewu­sstsein, um zurück zu alter Stärke zu finden. Wenn es alleine nach Leistung ginge, dann ist ter Stegen dem Manuel schon ein Stückchen voraus. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ter Stegen bis zur Europameis­terschaft den Stammplatz bekommen wird.

Zwischen Löw und DFB-Präsident Reinhard Grindel kriselt es seit Monaten. Kann das gut gehen? MATTHÄUS Ach, sehen Sie, man sollte sich selbst nicht so wichtig nehmen. Es gibt beim DFB aber leider Funktionär­e, die sich wichtiger finden als das Große und Ganze. Das ist natürlich ein Problem. Es gibt halt Leute, für die der Fußball eine gute Möglichkei­t ist, sich ins Rampenlich­t zu stellen. Da geht es weniger um die Sache.

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MORITZ MÜLLER/IMAGO ?? Im Austausch: Lothar Matthäus (rechts) tauscht sich mit Joachim Löw, Trainer der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft, beim Testspiel zwischen Deutschlan­d und Brasilien in Berlin aus.
FOTO: MORITZ MÜLLER/IMAGO Im Austausch: Lothar Matthäus (rechts) tauscht sich mit Joachim Löw, Trainer der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft, beim Testspiel zwischen Deutschlan­d und Brasilien in Berlin aus.

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