Die Glashütter
Daniel Schumann und Wolfgang Vetten haben für die Ausstellung „Urbane Parallelen“im Stadtmuseum ehemalige Mitarbeiter der Glashütte fotografiert und interviewt. Die Porträts geben Einblick in eine andere Zeit.
GERRESHEIM Gestern war im Brauhaus am Quadenhof das Treffen der ehemaligen Mitarbeiter der Gerresheimer Glashütte, zum 14. Mal. „Anfangs kamen vielleicht zehn Personen, inzwischen sind wir bis zu 40“, sagt Joachim Forker. Der 85-Jährige organisiert die kleinen Wiedersehensfeiern regelmäßig. Wer neu hinzustößt, erkennt nicht unbedingt sein Gegenüber, ein gemeinsamer Nenner ist aber schnell gefunden. Denn für die Gerresheimer Glashütte zu arbeiten, das war mehr als nur ein Job, diese Zeit schweißt zusammen.
Das haben auch Daniel Schumann und Wolfgang Vetten erkannt. Für die Ausstellung „Urbane Parallelen – Düsseldorf/Haifa“, die noch bis Ende April im Stadtmuseum zu begutachten ist, erstellten sie eine Porträtreihe und betitelten die Broschüre „Die Glashütter“. Daniel Schumann machte die Fotos der elf Männer und Frauen, sein Vater Wolfgang Vetten widmete sich vor allem den Interviews. In der Ausstellung ist außerdem ein Videofilm zu sehen, den Vetten ausschließlich dem Wasserturm auf dem Glashüttengelände gewidmet hat.
Fotograf Daniel Schumann hat schon oft Projekte zu gesellschaftlichen Themen durchgeführt, „ich habe beispielsweise Menschen im Hospiz abgelichtet, in dem ich selbst Zivildienst absolviert habe“. Zu der Glashütte hat er eine besondere Beziehung: „Ich bin in Gerresheim aufgewachsen, habe die Schließung der Glashütte noch selbst miterlebt. Sie hat eine enorm wichtige Rolle im Stadtteil gespielt, und die Menschen, die dort arbeiteten, haben sich trotz nicht immer einfachen Bedingungen mit ihrem Job identifiziert“, sagt Schumann.
Das merkt man dann den Interviews auch deutlich an. Für Joachim Forker etwa war es geradezu eine Herzensangelegenheit, die Qualitätskontrolle im Bereich des „Kalten Endes“zu optimieren. Dahinter verbirgt sich die Sortierung, erklärt Forker selbst. Zu Beginn seiner Zeit in der Glashütte Ende der 50er war von Automatisierung noch nichts zu sehen: „Da wurden die Temperaturen optisch gemessen, da gab es einen einzigen Mann im ganzen Betrieb, der war sozusagen der Eichbeamte. Der ging mit einem optischen Mess- gerät durch die Glashütte, guckte sich die ganzen Schmelzwannen an und hat die Temperaturen gemessen. Und, was der gesagt hat, war Gesetz.“
Nur ein Jahr war Marlies Schaber selbst in der Glashütte beschäftigt (ihr Mann offenbar länger), diese Zeit hat sie nachhaltig geprägt: „Ich fand den Zusammenhalt damals wahnsinnig schön, weil jeder arm war. Und wir freuten uns jeden Freitag, wenn unsere Männer von der Hütte kamen, da gab es endlich Lohn. Aber aufpassen: Wenn wir nicht am Tor standen, gingen die Männer in irgendein Lokal. So haben wir unsere Männer immer ab- gefangen, damit sie keine Dummheiten machten!“
Frauen hatten in der vermeintlichen Männerdomäne Glashüttenfabrik anscheinend keine Probleme, anerkannt zu werden. „Das Ansehen der Frauen innerhalb der Belegschaft war unkompliziert, es war ganz normal. Selbst meine Groß- mutter hat schon um die Jahrhundertwende im Lohnbüro der Glashütte gearbeitet und meine Tante bis 1958“, erzählt Inge Tolle. Auch bei der Entlohnung von Männern und Frauen habe es keine Unterschiede gegeben. „Nur die, die Mittlere Reife oder Abitur hatten wurden zunächst anders eingestuft.“