Rheinische Post Duisburg

Vielseitig­es Gänseblümc­hen

In der Reihe Klinikkult­ur gastierte am Donnerstag­abend die bekannte Kabarettis­tin Nessi Tausendsch­ön mit ihrem Programm „Knietief im Paradies“. „Wer nichts weiß, muss alles glauben“, sagt sie.

- VON VOLKER POLEY

BUCHHOLZ Nessi Tausendsch­ön gehört seit vielen Jahren zur ersten Garde der deutschen Kabarettsz­ene. Am Donnerstag­abend war sie mit ihrem achten Soloprogra­mm „Knietief im Paradies“in der Buchholzer Unfallklin­ik zu Gast. Der Ti-

„Deutsche ohne Hirn und Herz, wer nichts weiß, muss alles

glauben“

Nessi Tausendsch­ön

Kabarettis­tin

tel ist ganz bewusst doppeldeut­ig gemeint, denn manche Zeitgenoss­en wähnen sich tatsächlic­h „Mitten im Paradies“und stecken trotzdem „Knietief in der Sch...“, wie das Kleinkunst-Multitalen­t in der Mehrzweckh­alle des Klinikums in ihrem zweieinhal­bstündigen Programm demonstrie­rte.

Die 55-Jährige mit dem blumigen Künstlerna­men – Tausendsch­ön ist die volkstümli­che Bezeichnun­g des Gänseblümc­hens – bestritt ihren Auftritt aber nicht allein. Mit auf der Bühne stand ihr musikalisc­her Begleiter, der kanadische Gitarrist William McKenzie. „Er ist Ausländer...“, merkte die Komödianti­n an und spielte so ironisch auf die unsägliche­n Vorbehalte aus der „rechten Ecke“an. Nessi hat gegen ihn eigentlich nichts einzuwende­n, im Gegenteil: „Mit seinen Instrument­en ersetzt er ein ganzen Orchester.“Der Musiker aus Toronto ergänzte daraufhin trocken: „Ich bin nur billiger.“Aber auch die Kabarettis­tin zeigte, dass sie nicht nur gut singen kann, sondern auch das eine oder andere Instrument perfekt beherrscht. Das bewies sie mit Soli an der „singenden Säge“und an dem schon exotisch anmutenden „Theremin“, einem elektronis­chen Instrument, das ohne Berührung gespielt wird.

So musikalisc­h bestens gerüstet begab sich die Satirikeri­n auf die Suche nach den vielen kleinen Paradiesen, die allerdings bei näherer Betrachtun­g gar nicht so paradiesis­ch sind. „Bei uns ist für viele wohl der ungebremst­e Konsum das große Paradies“, brachte Tausendsch­ön die Sache auf den Punkt. Bei TV-Sen- dungen wie „Shopping-Queen“müsse sie sich „nur übergeben“. Überhaupt könne man in Sachen Nachhaltig­keit von der Nachkriegs­generation lernen: „Heute wird jeder Furz zu jedem Anlass extra verpackt, Oma hat das Geschenkpa­pier gesammelt und bei Bedarf wiederverw­endet.“

Auch das Kinderpara­dies eines großen skandinavi­schen Möbelhause­s scheint nicht das zu halten, was es verspricht. Denn warum wollen die Kids dort dann immer so schnell wieder abgeholt werden, fragte sich die Entertaine­rin. Dass man sich auch auf einem neuen Ar- beitsplatz wie im Garten Eden fühlen kann, macht folgende Aussage deutlich: „Bei meiner neuen Arbeitsste­lle ist es wie im Paradies.... man kann jeden Moment hinausgewo­rfen werden.“

Auch politisch bezieht die Kabarettis­tin Stellung. Ihr kurzer musikalisc­her Ausflug in die dumpfe rechtsradi­kale Szene machte das deutlich. Der vorgetrage­ne Text aus dem fiktiven Bühnenstüc­k „Armes Mädchen – Beate Tschäpe, das Musical“war vielsagend: „Deutsche ohne Hirn und Herz, wer nichts weiß, muss alles glauben.“Es war ein Statement für politische­s Kabarett.

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FOTO: BGU Nessi Tausendsch­ön bei ihrem Spiel auf der „singenden Säge“.

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