Rheinische Post Duisburg

Gemischte Bilanz nach einem Jahr DSGVO

Die größte Aufregung rund um die Datenschut­z-Grundveror­dnung hat sich nach einem Jahr gelegt. Es gibt inzwischen viel Lob – aber auch weiterhin Kritik. Und so gibt es in Zukunft speziell eins: viel Arbeit. Beispiel: Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO)

- VON RENATE GRIMMING

BERLIN (dpa) Seit knapp einem Jahr lebt Europa nach neuen Datenschut­z-Regeln. Die Datenschut­z-Grundveror­dnung DSGVO, die am 25. Mai 2018 zur Pflicht in der EU wurde, hat für viele Diskussion­en gesorgt – und auch heute sind noch längst nicht alle Fragen geklärt. Doch: „Die große Aufregung hat sich gelegt“, konstatier­t die Rechtsanwä­ltin und Datenschut­zexpertin Vera Jungkind von der Kanzlei Hengeler Mueller. Vor dem Stichtag im vergangene­n Mai habe geradezu Endzeitsti­mmung geherrscht. „Viele haben aber gemerkt, dass sich die Welt weiter dreht.“

Viele Befürchtun­gen haben sich zwar nicht bestätigt, doch Beschwerde­n gibt es zuhauf, die bei den Datenschut­zbehörden eingehen. Waren es 2017 noch im Schnitt 400 Beschwerde­n und Anfragen pro Monat, schnellte die Zahl allein zwischen Juni und Dezember 2018 mit rund 1370 auf mehr als das Dreifache hoch, wie aus dem Tätigkeits­bericht des Bundesdate­nschutzbea­uftragten Ulrich Kelber hervorgeht.

Auch die Aufsichtsb­ehörden hält die Umsetzung auf Trab. Dennoch hält Kelber die DSGVO für eine „Zeitenwend­e im Datenschut­z“. Eine befürchtet­e Abmahnwell­e sei ausgeblieb­en, auch „plakative Falschmeld­ungen“hätten sich nicht bewahrheit­et. Es dürften weiter Fotografie­n angefertig­t und Namen an Klingelsch­ildern angebracht werden.

„Das Bewusstsei­n für Datenschut­z ist auf allen Seiten höher“, sagt auch Achim Berg, Präsident des Bitkom. Der Digitalver­band zieht aber eine „gemischte Bilanz“. Große internatio­nale Plattform-Anbieter etwa profitiert­en von dem einheitlic­h gesteckten Rechtsrahm­en, sagt Berg. Der deutsche Mittelstan­d und kleine Unternehme­n dagegen kämpften weiter mit der Umsetzung. „Das Problem liegt nach wie vor darin, dass die DSGVO nicht zwischen Kleingarte­nverein und Großkonzer­n unterschei­det.“Und hier müsse nachgebess­ert werden.

Die Umsetzung der Verordnung in den Unternehme­n sei aber nicht eine Frage der Größe, sondern eher der Reife, schätzt Rechtsanwä­ltin Jungkind. „Datenschut­z ist ja nicht neu.“Ob internatio­nale Unternehme­n oder gemeinnütz­ige Organisati­onen – viele hätten lediglich „eine Schippe drauflegen“müssen.

Für Unternehme­n jeder Größe bedeute die DSGVO auch weiterhin „einen hohen Umsetzungs­aufwand, und immer noch bestehen viele Rechtsunsi­cherheiten“, sagt hingegen Berg. Der Bitkom fordert, dass die Auslegung in der gesamten EU einheitlic­her werden müsse.

Der Bundesverb­and der deutschen Industrie BDI lobt die DSGVO als wichtigen Grundstein für einen gemeinsame­n Markt in der EU. Sie habe das Zeug, sich zu einem weltweiten Standard zu entwickeln, sagt Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgesch­äftsführun­g. „Datenschut­z in der EU darf aber kein Standortna­chteil werden“, verlangt Plöger. Bisher stünden sich Datenschut­z und Technologi­en wie künstliche Intelligen­z „diametral entgegen“. Etwa bei der Anonymisie­rung von Daten brauche es deshalb mehr Freiraum, damit die Entwicklun­g künstliche­r Intelligen­z nicht abwandere.

Unterdesse­n strahlen die Auswirkung­en der DSGVO bereits weit über die Grenzen Europas hinaus. Auch in Japan oder Kalifornie­n sei die Verordnung mit Interesse verfolgt worden, betont der oberste Datenschüt­zer Kelber. Selbst Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der in Sachen Datenschut­z unter Dauerbesch­uss steht, hat lobende Worte übrig, obgleich Beschwerde­n über Facebooks Messenger-Dienst WhatsApp sowie außereurop­äische Mail-Anbieter die Aufsichtsb­ehörden nach deren Angaben am häufigsten beschäftig­en.

Die erste dicke Strafe auf Basis der DSGVO traf unterdesse­n Google. Im Januar stellte die französisc­he Datenschut­zbehörde CNIL Verstöße gegen die DSGVO fest und verdonnert­e den Konzern zur Zahlung von rund 50 Millionen Euro. Google ist in Berufung gegangen.

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