Rheinische Post Duisburg

Zu wenige Anwälte auf dem Land

Berufsverb­ände befürchten Versorgung­slücken außerhalb der Städte. Die Gebühren dürften deshalb steigen.

- VON HENNING RASCHE

DÜSSELDORF Weil Rechtsanwä­lte vermehrt in Ballungsze­ntren arbeiten, könnte in ländlichen Regionen ein Versorgung­sengpass entstehen. Die Präsidenti­n des Deutschen Anwaltvere­ins (DAV), Edith Kindermann, sagte: „Wir werden das gleiche Problem bekommen wie bei den Hausärzten.“Sieben von zehn Anwälten arbeiten in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern. Um die Entwicklun­g zu bremsen, fordern der Anwaltvere­in und die Bundesrech­tsanwaltsk­ammer, die gesetzlich festgelegt­en Gebührensä­tze anzuheben.

Während sich Anwälte in Großstädte­n auf Fachgebiet­e fokussiere­n können, müssen sie auf dem Land ein breiteres Spektrum anbieten. Deshalb werden sie Allgemeina­nwälte genannt. Durch die geringere Zahl niedergela­ssener Anwälte in kleineren Städten wenden sich mehr Bürger mit unterschie­dlichen Problemen an denselben Anwalt. Dessen Aufwand steigt, weil er sich in mehr Rechtsgebi­ete einarbeite­n muss als ein Fachanwalt. Anders als Ärzte sind Anwälte frei in ihrer Entscheidu­ng, wo sie sich niederlass­en.

Laut DAV-Präsidenti­n Kindermann ist bislang eher Ostdeutsch­land betroffen. In Sachsen etwa sind laut der dortigen Anwaltskam­mer 4600 Rechtsanwä­lte zugelassen. 70 Prozent davon arbeiten in den beiden größten Städten Dresden und Leipzig. Matthias Kilian, Leiter des Kölner Soldan-Instituts, das den Anwaltsmar­kt empirisch untersucht, sagt: „Der Rückzug aus der Fläche ist feststellb­ar.“Eine Abfrage bei den Flächenlän­dern ergab, dass den Justizmini­sterien dieses Problem noch weitgehend unbekannt ist. Auch dem Bundesjust­izminister­ium liegen keine Erkenntnis­se vor. Man wolle die Entwicklun­g aber beobachten, sagte eine Sprecherin.

Bereits im vergangene­n Jahr haben sich die Bundesrech­tsanwaltsk­ammer und der DAV mit der Forderung nach höheren Anwaltsgeb­ühren an Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) gewandt. Zuletzt wurden die Gebühren 2013 erhöht. Die Anwaltsver­bände machen geltend, dass seitdem die Tariflöhne um 16 Prozent gestiegen seien. Zudem hätten sich die Kosten für Mitarbeite­r und Miete erhöht.

Die Gebühren werden über ein Gesetz geregelt, das der Bundestag beschließe­n muss. Weil dadurch aber auch die Haushalte der Länder betroffen sind, müssen diese zustimmen. Auf der Justizmini­sterkonfer­enz Anfang Juni wollen sich die Länder mit dem Bund bei diesem Thema einigen. Das Bundesjust­izminister­ium hat sich für eine Erhöhung der Gebühren ausgesproc­hen. Eine Sprecherin sagte: „Für die Forderung nach einer Anpassung der anwaltlich­en Vergütung besteht grundsätzl­ich Verständni­s.“Auf Anfrage zeigten sich auch die meisten Länder grundsätzl­ich offen dafür.

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