Rheinische Post Duisburg

Die zwei Gesichter der FPÖ

Österreich muss sich wohl auf einen aggressive­n Wahlkampf einstellen. Denn bei den Rechten wächst der Einf luss des bisherigen Innenminis­ters Herbert Kickl, eines Scharfmach­ers.

- VON RUDOLF GRUBER

WIEN Die Europawahl ist noch nicht gelaufen, da beginnt in Österreich schon der nächste Wahlkampf: Die bisherigen Regierungs­parteien ÖVP und FPÖ sind wieder erbitterte Gegner, die Opposition rüstet sich für die Neuwahl im September. Vizekanzle­r und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war zurückgetr­eten, nachdem ein auf Ibiza geheim gedrehtes Video aufgetauch­t war. Es zeigte, wie eine angebliche russische Oligarchen­nichte dem betrunkene­n Strache politisch den Kopf verdrehte.

Nach Straches Rücktritt präsentier­te sich am Montag das neue FPÖ-Führungsdu­o. Norbert Hofer, bisher Verkehrsmi­nister und 2016 Präsidents­chaftskand­idat, sagte wenig zur Regierungs­krise, dafür mehr über sein Privatlebe­n und seine Rolle als designiert­er Parteichef. Hofer sprach von einer „neuen FPÖ“, die einen „guten und fairen Wahlkampf“führen werde, präsentier­te sich staatsmänn­isch nüchtern und geradezu mild. In den Ohren so manchen Zuhörers klang die Rede wie eine Bewerbung für die nächste Präsidents­chaftswahl 2022.

Neben Hofer saß Innenminis­ter Herbert Kickl, umstritten­ster Minister der Regierung und Schlüsself­igur in der Frage, wie es nun weitergeht. Kickl trat gewohnt polemisch und aggressiv auf – den Kanzler Sebastian Kurz, der Kickls Ablöse gefordert hat, bezichtigt­e er „kalter und nüchterner Machtbesof­fenheit“. Am Abend teilte Kurz mit, er habe Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen Kickls Entlassung vorgeschla­gen. Weil das wiederum zur Rückzugsan­kündigung aller FPÖ-Minister führte, will Kurz die freien Posten bis zur Wahl mit Experten oder Ministeria­lbeamten besetzen.

In der FPÖ wächst nach Straches Abgang Kickls Macht. Hofer sieht sich selbst als Übergangsp­arteichef, weil er ja Präsident werden will. Kickl indes ist die Symbolfigu­r der „authentisc­hen“FPÖ; für deren Anhänger ist er der einzige Garant, dass sich die Partei nicht ändert. Entspreche­nd aggressiv dürfte die FPÖ ihren Wahlkampf führen, trotz Hofers Beteuerung­en.

Der Keim der heutigen Regierungs­krise wurde bereits in den Koalitions­verhandlun­gen gesät, als Kurz der FPÖ vier Schlüsselm­inisterien überließ, darunter das Innenminis­terium. Kurz hat zu allen Skandalen und Hetzparole­n der FPÖ gegen Migranten entweder geschwiege­n oder dem Koalitions­partner nur milde Ermahnunge­n erteilt. Erst jetzt, da die Koalition geplatzt ist, war Kickl für Kurz nicht mehr tragbar.

Gründe für seine Entlassung hätte es indes auch zuvor gegeben. So konnte Kickl in der Migrations­politik seine „völkischen Fantasien“ungehinder­t austoben, wie die Wiener Zeitung „Der Standard“anmerkte. Aufnahmela­ger benannte er zynisch in „Ausreiseze­ntren“um, strich Aufenthalt­srechte von Flüchtling­en und Migranten zusammen (Stichwort: Lehrlingsa­bschiebung­en während der Ausbildung). Vor wenigen Tagen wurde die Rechtsbera­tung für Flüchtling­e den unabhängig­en Hilfsorgan­isationen aus der Hand genommen und dem Innenminis­terium eingeglied­ert, also verstaatli­cht. Vorbild ist der Nachbar Ungarn, wo Migranten juristisch­er Willkür ausgesetzt sind. Kurz schwieg zu alldem. Nur wegen der aktuellen Regierungs­krise konnte Kickl seinen Plan, den Stundenloh­n für Asylwerber von durchschni­ttlich fünf auf 1,50 Euro zu kürzen, nicht mehr umsetzen.

Kickls jüngste Aktion kam vergangene­n Freitag: Da ernannte er seinen Vertrauten Peter Goldgruber zum Generaldir­ektor für öffentlich­e Sicherheit. Der hochrangig­e Polizist Goldgruber war Regisseur einer Razzia im Verfassung­sschutz im März 2018, bei der eine Unmenge Daten sichergest­ellt wurden. Die Opposition wirft Kickl vor, vor allem an der Datei über Rechtsextr­emismus, zu der die FPÖ über die Jahre viele Beiträge geliefert hat, interessie­rt gewesen zu sein. Der Kanzler hatte auch zu diesem Skandal geschwiege­n. Gestern sah Kurz das Ganze als Bestätigun­g für seine Entscheidu­ng, das Bündnis mit der FPÖ zu beenden. Am Nachmittag lehnte Bundespräs­ident Van der Bellen Goldgruber­s Beförderun­g ab.

 ?? FOTO: REUTERS ?? Die wichtigste­n Köpfe der FPÖ: der designiert­e Parteichef Norbert Hofer (l.), der eher präsidiale Töne anschlägt, und Innenminis­ter Herbert Kickl, der für die „authentisc­he“FPÖ stehen will, am Montag in Wien.
FOTO: REUTERS Die wichtigste­n Köpfe der FPÖ: der designiert­e Parteichef Norbert Hofer (l.), der eher präsidiale Töne anschlägt, und Innenminis­ter Herbert Kickl, der für die „authentisc­he“FPÖ stehen will, am Montag in Wien.

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