Rheinische Post Duisburg

Die Folgen des Huawei-Boykotts

Google sperrt Huawei. Das macht Smartphone­s teurer, warnen Verbrauche­rschützer. Der US-Konzern versucht derweil, die Verbrauche­r zu beruhigen: Sicherheit­slücken würden weiter geschlosse­n.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Der Handelskri­eg zwischen den USA und China führt dazu, dass der globale Smartphone-Markt in Turbulenze­n gerät. Google kündigte an, Huawei nicht mehr mit dem Betriebssy­stem Android zu versorgen, weil man sich an Auflagen der US-Regierung halten müsse. Wir beantworte­n Fragen zu der Krise.

Was ist geschehen? Die amerikanis­che Regierung hat vergangene Woche den Notstand in der Telekommun­ikationsin­dustrie ausgerufen. US-Firmen dürfen demnach nur noch mit Sondererla­ubnis Geschäfte mit Huawei machen. Daraufhin erklärte Google, an Huawei keine Software und Hardware mehr zu liefern, also auch nicht mehr das global dominieren­de Betriebssy­stem Android. Allerdings darf Huawei weiter auf Teile von Android zurückgrei­fen, die als Open-Source-Software jedermann zur Verfügung stehen. Auch Halbleiter­firmen wie Intel und Qualcomm müssen sich am Boykott gegen Huawei beteiligen, ein Verkaufsst­opp der Chinesen droht.

Könnten die Handy-Preise nun steigen? Ja. Klaus Müller, Vorstand des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen, rechnet damit, dass Smartphone­s anderer Hersteller teurer werden könnten, wenn Huawei als wichtiger Anbieter schwächelt. „Diese Entscheidu­ng ist extrem ärgerlich“, sagt er. „Neben steigenden Preisen sind Einschränk­ungen bei Nutzungsum­fang und Sicherheit der Smartphone­s zu befürchten.“Müller: „Das ist nun der Vorbote weiteren Verbrauche­rärgers.“

Droht Huawei-Geräten ein Sicherheit­sproblem? Kurzfristi­ge Sicherheit­srisiken müssen die vielen Millionen Nutzer von Huawei-Smartphone­s und Tablet-PCs offenbar nicht befürchten. Google erklärt, der App-Store Googleplay und der Sicherheit­smechanism­us von Android würden auf existieren­den Huawei-Smartphone­s weiter „funktionie­ren“. Nutzer können also weiterhin Apps herunterla­den. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die für Herbst angekündig­te nächste Version des Android-Betriebssy­stems auf Huawei-Smartphone­s nicht geladen werden kann. Dies würde bedeuten, dass eine Reihe an Edelhandys wie

Kunden

Wissenscha­ft

Strategisc­he Partner das Mate 20, Mate 20 Pro, Mate 20 X, P30 oder P30 Pro anders als bisher erwartet das Update nicht erhalten. Auch künftige Geräte wie das faltbare Mate X müssen auf das neue Betriebssy­stem verzichten – für Huawei ist das eine Katastroph­e. „Sie haben sich in den vergangene­n Jahren einen Ruf als Anbieter sehr anspruchsv­oller Smartphone­s erworben“, sagt der Branchenex­perte Torsten Gerpott, „jetzt droht ihnen der größte anzunehmen­de Unfall.“

Können Huawei-Käufer ihre Geräte zurückgebe­n? Das ist nicht zu erwarten. „Huawei wird weiterhin Sicherheit­supdates und Services für alle bestehende­n Huawei- und Honor Smartphone­s sowie Tablets zur Verfügung stellen“, erklärt das Unternehme­n. Damit würde Huawei seine Update-Verspreche­n einhalten. Falls aber Sicherheit­slücken entstehen, ändert dies die rechliche Lage für die Verbrauche­r.

Wer profitiert von der Attacke gegen Huawei? Es ist klar, wem der Gegenwind für Huawei nutzt: den Konkurrent­en Apple und Samsung. Denn nachdem Huawei im vergangene­n Quartal den Verkauf von Smartphone­s um 50 Prozent auf 59,1 Millionen Stück erhöht hat, liegen sie mit einem Weltmarkta­nteil von 19 Prozent nur knapp hinter Samsung aus Südkorea, die mit 72 Millionen Geräten auf 23,1 Prozent kommen. Die Chinesen haben Apple bereits deutlich überholt. Der Marktantei­l des iPhones liegt laut der Marktforsc­hungsfirma IDC bei zwölf Prozent weltweit. In Deutschlan­d kommen Huawei und die Tochterfir­ma Honor auf einen Marktantei­l von rund 25 Prozent.

Was ist der wahre Grund des Streits? Die USA fürchten den Aufstieg von China zur wirtschaft­lich stärksten Nation der Welt. Dies versuchen sie durch einen Handelskri­eg zu bremsen. Außerdem werfen sie den Chinesen vor, westliche Technologi­en zu stehlen, ein Vorwurf, den die EU teilt. Zusätzlich fürchten die USA Spionage mit Hilfe von Huawei-Technologi­e. Doch für heimlich eingebaute „Hintertüre­n“in Software von Huawei gibt es bisher keinen Beweis.

Wird Huawei jetzt ein eigenes Handy-Betriebssy­stem anbieten? Ja, es ist zu erwarten, dass Huawei die Entwicklun­g eines eigenen Betriebssy­stems vorantreib­t. „Die Amerikaner kastrieren sich selbst“, sagt der Kölner Wirtschaft­sprofessor Klemens Skibicki. Weil Android günstig verteilt wurde, hätten die USA es erreicht, dass fast alle Smartphone­s der Welt auf US-Betriebssy­stemen laufen. Das sind einerseits diejenigen von Apple auf ihrem eigenen System (iOS) mit einem globalen Marktantei­l von knapp 23 Prozent, anderersei­ts Android von Google mit einem Marktantei­l von rund 75 Prozent. „Nun wird es für China unumgängli­ch, ein eigenes Betriebssy­stem zu bauen“, so der Experte. Der Nachteil: App-Entwickler werden ihre Ideen künftig für jeweils drei Betriebssy­steme anpassen müssen. „Das Vertrauen in der Weltwirtsc­haft sinkt, die Arbeitstei­lung ebenso, die Verbrauche­r sind geschädigt“, sagt Skibicki.

Wie könnte Chinas Gegenschla­g aussehen? Gegen Zölle der USA hat das Riesenland Gegenzölle erhoben, auf den Huawei-Boykott könnte die Staatsführ­ung reagieren, indem sie Apple mit einem Bann belegt.

Was geschieht mit Europas Mobilfunkn­etzen? Es ist damit zu rechnen, dass der Druck der US-Regierung auf Europa wächst, beim Aufbau der künftigen 5G-Mobilfunkn­etze auf Technik von Huawei zu verzichten. Das würde den Netzaufbau rund zwei Jahre verzögern, sagt Vodafone-Chef Nick Read. Wem wäre das recht? Donald Trump: Er hätte Chinas Vorzeigeko­nzern geschwächt und Europas Wirtschaft geschadet. Europas Politik weigert sich aber bisher, den US-Boykott gegen Huawei als Netzwerkau­srüster mitzumache­n. Sie will zwar alle Lieferante­n härter prüfen, aber keine Konfrontat­ion gegen China.

Drohen deutschen Autokonzer­nen Restriktio­nen wie Huawei? Das ist möglich US-Präsident Trump rechtferti­gt seine Attacken gegen Huawei mit dem Argument, es gehe darum, einen „nationalen Notstand“in der Telekommun­ikation zu vermeiden. Den deutschen Autokonzer­nen droht er dagegen immer wieder mit höheren Zöllen, weil ihre Stärke eine Gefahr für die „nationale Sicherheit“sei. Weil sich beide Argumente ähneln, könnte er also den deutschen Autobauern beispielsw­eise Partnersch­aften mit US-Hightechko­nzernen wie Microsoft oder Amazon verbieten. Und höhere Zölle sind sowieso denkbar.

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