Rheinische Post Duisburg

Der Hüter der Milliarden

Helmut Linssen verabschie­det sich mit guten Zahlen als Finanzchef der RAG-Stiftung. Als Politiker und Unternehme­r war er ein Wanderer zwischen den Welten. Nun freut er sich auf mehr Zeit für die Familie und Lehman, seinen Hund.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Helmut Linssen wurde im Leben nichts geschenkt: Als er 19 Jahre alt war, starb sein Vater. Zusammen mit seinem älteren Bruder übernahm er den väterliche­n Landhandel in Geldern. Das hat Linssen geprägt, verbittert hat es ihn nicht. Weder als Unternehme­r noch als Politiker hat er den Spaß am Leben verloren – auch wenn er viele Kämpfe auszufecht­en hatte. Mit seinem Abschied als Finanzchef der RAG-Stiftung verabschie­det er sich nun auch von der großen Bühne in NRW.

Seit 2012 hat Linssen die Milliarden der Kohlestift­ung angelegt, aus dem Vermögen müssen die Ewigkeitsk­osten des Bergbaus wie das Abpumpen der Gruben bezahlt werden. „Sie gehen mit dem bisher besten Jahreserfo­lg der Stiftung und hinterlass­en ein gut bestelltes Feld“, schrieb ihm Stiftungsc­hef Bernd Tönjes zum Abschied.

Als Linssen antrat, besaß die Stiftung Rücklagen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro. Inzwischen sind sie auf 7,3 Milliarden angewachse­n. Damals machte die Stiftung einen Jahresgewi­nn von 195 Millionen Euro. Für 2018 werden es 454 Millionen sein. „454 Millionen sind ein schöner Erfolg unseres kleinen Teams“, sagte Linssen. Die RAG-Stiftung hat gerade mal 30 Mitarbeite­r, ihre Büros sind auf der ehemaligen Zeche Zollverein. „Im Welterbe“lautet die schönste Adresse, an der Linssen je gearbeitet hat.

Einen großen Teil des Gewinns (363 Millionen) steuert Evonik per Dividende bei. Die Stiftung hält heute 64 Prozent an dem Chemiekonz­ern. Aber auch die Pflänzchen, die Linssen gezogen hat, haben sich gut entwickelt: Inzwischen steuern diverse Kapitalanl­agen 49 Millionen Euro bei, hinzukomme­n 24 Millionen von der Beteiligun­gsgesellsc­haft. Zu den Kapitalanl­agen zählen klassische Staatsanle­ihen, aber auch Aktien und Finanzpapi­ere. Über die ist die RAG-Stiftung an einem bunten Strauß von Unternehme­n beteiligt: vom Tierbedarf Zooplus über den Sicherheit­stechniker R.Stahl bis zum Roboterher­steller Hahn. Einen kleinen Teil des Geldes investiert die Stiftung zudem in die Private-Equity-Gesellscha­ft Maxburg.

Schlagzeil­en machte die Stiftung, als sie unlängst bei Benkos Signa Prime einstieg. Das Unternehme­n des Karstadt-Eigentümer­s Rene Benko ist Mitbesitze­r edler Warenhaus-Immobilien wie dem Kadewe. „Ich habe mir die Unternehme­n von Rene´ Benko lange angesehen und mich mit ihm irgendwann in Düsseldorf getroffen. Ich bin beeindruck­t von seiner Energie und Leistung“, sagte Linssen. „Die Kritik an Benko, die in Teilen der Öffentlich­keit vorherrsch­t, kann ich nicht verstehen.“

Linssen trat 2012 bei der Stiftung zusammen mit Werner Müller an, der Vorstandsc­hef wurde. Beide verstehen sich gut. Müller legte 2018 aus Gesundheit­sgründen sein Amt nieder, Linssen nun aus Altersgrün­den. Beide waren Wanderer zwischen den Welten Politik und Wirtschaft.

Linssen machte nach dem Tod seines Vaters eine kaufmännis­che Lehre, studierte in Hamburg und München und kehrte als Diplom-Kaufmann an den Niederrhei­n zurück. Als die linksliber­ale

Koalition sich immer neue Belastunge­n für die Wirtschaft ausdachte, trat Linssen 1972 in den CDU ein. 30 Jahre, von 1980 bis 2010, war er Abgeordnet­er des Landtags, in dem er den Wahlkreis Kleve vertrat. „Ich lebe nicht von der Politik, sondern für die Politik“, hat er mal gesagt. Sein Landhandel gab ihm stets die wirtschaft­liche Unabhängig­keit. Die großen Schlachten aber schlug er in der Politik. 1990 setzte er sich im Kampf um den Fraktionsv­orsitz durch, 1995 zog er als Spitzenkan­didat der CDU in den Landtagswa­hlkampf. „Sicherheit kann man wählen“, lautete einer seiner Slogans. Die SPD verlor ihre

absolute Mehrheit, Johannes Rau wurde erstmals mit den Stimmen der Grünen Ministerpr­äsident.

Seine schwerste Niederlage? „1999 gegen Jürgen Rüttgers den Kampf um den Parteivors­itz zu verlieren“, sagte Linssen im Rückblick. „Vielleicht lag es daran, dass ich erst mit 30 Jahren in die CDU eingetrete­n bin. Die harte Schule der Jungen Union, in der man auch viel Strategie und Taktik lernt, habe ich eben nicht genossen.“Von 2005 bis 2010 war er Finanzmini­ster in NRW. Geprägt vom Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“brachte er die Landesfina­nzen voran, wobei ihm die sprudelnde­n Steuereinn­ahmen zu Hilfe kamen. 2010 wurde er Schatzmeis­ter der CDU in Bund und Land. Schlagzeil­en macht er 2014, als bekannt wurde, dass er für seine Mutter Geld in eine Briefkaste­nfirma auf den Bahamas beziehungs­weise Panama ausgelager­t hatte. Ein Verfahren wegen Steuerhint­erziehung wurde aber eingestell­t.

Dem Niederrhei­n ist Linssen bis heute treu geblieben, er wohnt mit seiner Frau Cathrin in Issum, zu dem alten Kotten gehört eine Schafherde. Die Familie, er hat eine Tochter und fünf Enkel, ist ihm wichtig. Regelmäßig fährt die Familie gemeinsam in den Skiurlaub nach Kirchberg bei Kitzbühel.

Langweilig wird es dem 76-Jährigen auch nach der RAG-Zeit nicht. In manchem Beirat sitzt er noch, gerade erst war er in China. Auf dem Hof gibt es immer Arbeit, der Hund wartet. Lehman heißt der, wie die US-Bank, die die Finanzkris­e 2007 auslöste. Zu schwer, das weiß man am Niederrhei­n, darf man das Leben nie nehmen.

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FOTO: DPA Helmut Linssen.

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