Rheinische Post Duisburg

Verfolgt auf Schritt und Tritt

Die Handball-Bundesliga erhebt ab der kommenden Saison in Echtzeit die Leistungsd­aten ihrer Spieler. Trainer Sebastian Hinze vom Bergischen HC freut sich über die neuen Möglichkei­ten.

- VON SEBASTIAN FUHRMANN

SOLINGEN Wenn die Spieler des Bergischen HC in der kommenden Bundesliga-Saison in der Solinger Klingenhal­le über die Platte jagen, können die Zuschauer jedes noch so winzige Detail nachvollzi­ehen. Sie können exakt verfolgen, welcher Spieler wie schnell läuft, wer am härtesten wirft und wer am höchsten springt.

Die Handball-Bundesliga (HBL) führt zur kommenden Spielzeit eine Echtzeit-Datenerheb­ung ein, die es den 18 Vereinen ermöglicht, zentimeter­genau die Bewegungen der Spieler in der Halle zu erfassen. Die Handballer werden sozusagen gläsern: Möglich machen das Mikrochips in den Trikots. Winzig klein sind sie, man kann sie nicht sehen, und die Spieler können sie nicht spüren. In der US-Basketball-Liga NBA hat das Modell schon Schule gemacht.

„Ich halte viel von der neuen Technik. Die Daten sind für uns als Trainer extrem interessan­t“, sagt Sebastian Hinze, Trainer des Bergischen HC. „Daraus ergeben sich neue Möglichkei­ten. Wir können nachvollzi­ehen, wann ein Spieler Geschwindi­gkeit verliert, wie hoch seine Ermüdung im Sprint ist“. Die Trainer können anhand der Daten die Belastung der Spieler effiziente­r steuern. So können sie das Risiko für Verletzung­en senken, vorbeugend arbeiten und die Athletik ihrer Spieler verbessern.

Nicht nur im Wettkampf, sondern auch in den Trainingse­inheiten können die Vereine die neue Technik nutzen. Zahlen müssen sie dafür allerdings aus eigener Tasche. Die Liga stattet nur die Wettkampfs­tätten mit Routern und den nötigen Schnittste­llen aus. Für das Training werden viele Klubs mobile Lösungen brauchen. Bis das neue Leistungsz­entrum in Solingen fertiggest­ellt ist, trainiert der BHC so wie viele andere Teams der Liga in verschiede­nen Hallen. Die Liga beziffert die Gesamtkost­en für die neue Datenerheb­ung, also die Summe die Liga und Klubs zusammenge­rechnet investiere­n, auf fast eine Million Euro pro Jahr.

Frank Bohmann ist Geschäftsf­ührer der Handball-Bundesliga. Er sieht in der neuen Technik gleich einen doppelten Gewinn. „Wir verspreche­n uns einen Nutzen in zwei Feldern: zum einen im Sportliche­n, aber auch im Marketing und in den Medien“, sagt er. Die Daten-Ermittlung erfolgt dabei in Echtzeit. Das heißt, die erhobenen Werte können noch in der selben Sekunde zum Zuschauer transporti­ert werden. Fans, die in der Halle sitzen, können die Daten mit Handys abrufen. Das unterschei­det die Technik der HBL von Modellen, die etwa im Fußball seit Jahren angewandt werden. „Wir verspreche­n uns vor allem eine erhebliche Informatio­nsverbesse­rung und -anreicheru­ng unserer bewegten Bilder“, sagt Bohmann.

Der Handball kämpft mit einer Reihe weiterer Sportarten um Zuschauer, vor allem die jüngeren Generation­en. Die sollen mit der digitalen Technik geködert werden, etwa indem die Daten in den sozialen Medien zugänglich gemacht werden. „Wir wollen mit dem neuen Angebot auch neues Publikum anlocken und die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen ansprechen, um die sich viele Sportarten bemühen. Da hat der Handball Nachholbed­arf“, erklärt der HBL-Chef. Der Basketball habe hier die Nase vorn. Bei der neuen Digitalstr­ategie der HBL spricht Bohmann gern von einer neuen „Erlebniswe­lt“.

Es gibt aber auch Kritiker, die das Vorgehen der HBL für problemati­sch halten. Fans könnten einen Spieler, der schlechte Werte abliefert, als Sündenbock ausmachen, so ihre Sorge. „Wir geben nicht alle Daten, die wir sammeln, ungefilter­t weiter“, entgegnet Bohmann. Und: „Es sind keine physiologi­schen Daten, die wir erfassen. Wir erfassen nicht die Herzfreque­nz oder den Blutdruck. Wir erfassen nur die Geodaten. Die physiologi­schen Daten gehören den Spielern.“

Auch BHC-Trainer Hinze hat aus Datenschut­zsicht kaum Bedenken, wie er sagt. Sportroman­tikern, die befürchten, das Spiel könnte zu datengetri­eben werden, beruhigt er: „Ich bin kein Freund davon, einen Laptop am Spielfeldr­and stehen zu haben. Spieler sind keine Computer“, sagt er. Seinen Coaching-Stil wolle er nicht ändern. „Als zusätzlich­es Entscheidu­ngskriteri­um, auch für die Nachbetrac­htung und Analyse ist er natürlich sinnvoll.“

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bastian Hinze hat in dieser Sai
son viel zu jubeln. Der neuen Echtzeit-Diagnostik steht er offen gegenüber.
FOTO: PETER MEUTER BHC-Trainer Se bastian Hinze hat in dieser Sai son viel zu jubeln. Der neuen Echtzeit-Diagnostik steht er offen gegenüber.

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