Rheinische Post Duisburg

Italienisc­he Verhältnis­se

Thüringen wählt am Sonntag. Für die Regierungs­bildung sieht es düster aus.

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Je mehr Parteien an einer neuen Regierung beteiligt sind, desto mühsamer ist das Geschäft. Aktuell kann man das an den Beispielen Brandenbur­g und Sachsen sehen, wo sich CDU, SPD und Grüne nur unter Schmerzen in gemeinsame­n Bündnissen zusammenfi­nden. In Thüringen, wo am kommenden Sonntag gewählt wird, könnte die schwierige Situation entstehen, dass eine Regierungs­bildung auch unter Schmerzen nicht möglich ist. Die aktuelle Regierung aus Linken, SPD und Grünen wird eine Mehrheit aller Voraussich­t nach verfehlen. Die CDU steht als Juniorpart­ner für die Linken nicht zur Verfügung – und mit der von Björn Höcke geführten AfD will ohnehin keine andere Partei koalieren. Sollte die FDP in den Landtag einziehen, wäre theoretisc­h eine Vierer-Kombo – SchwarzRot-Grün mit den Liberalen im Bunde – möglich. Theoretisc­h. Praktisch bedeutete dies italienisc­he Verhältnis­se für Thüringen. Grundsätzl­ich werden wir uns an Regierunge­n aus einer wachsenden Zahl von Parteien gewöhnen müssen. Von solchen Bündnissen kann kein gemeinsame­r Geist ausgehen. Vielmehr wird dann jeder Koalitions­partner ein bis drei Projekte bekommen, die er umsetzen kann. Wahrschein­licher als ein Viel-Parteien-Bündnis ist in Thüringen, dass Ministerpr­äsident Bodo Ramelow von den Linken, der sich als jovialer Landesvate­r etabliert hat, geschäftsf­ührend im Amt bleibt. Die Landesverf­assung setzt einer geschäftsf­ührenden Regierung keine zeitliche Grenze. Ramelow hätte also die Möglichkei­t, mit wechselnde­n Mehrheiten weiterzuma­chen. Bildet er die Regierung nicht um, kann er agieren wie ein ordentlich vom Parlament gewählter Ministerpr­äsident. Um ein Land nach einem komplizier­ten Wahlausgan­g zu stabilisie­ren, ist eine Phase mit einer geschäftsf­ührenden Regierung vertretbar. Eine Dauerlösun­g ist sie nicht.

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