Made in Germany
Zwei deutsche Firmen preschen bei Flugtaxis vor: Volocopter mit einem ersten bemannten Flug, Lilium plant eine neue Fabrik.
SINGAPUR/MÜNCHEN Als Dorothee Bär im März 2018 in einem Nebensatz das Wort „Flugtaxi“erwähnte, begegnete der damals frisch gekürten Digitalisierungs-Staatsministerin Spott und Hohn. Spätestens jetzt steht fest: So absurd war das Thema gar nicht. Zwei deutsche Firmen meldeten am Dienstag große Fortschritte bei ihren Plänen, den Personenverkehr mit fliegenden Drohnen zu erobern. Über Singapur absolvierte ein Pilot für die Firma Volocopter den ersten bemannten Flug des Herstellers. Das Unternehmen Lilium kündigte am selben Tag an, in den kommenden Jahren mit einem zusätzlichen Produktionswerk bei München 500 neue Stellen zu schaffen. Auch weltweit ist der Markt stark umkämpft.
Das passt zusammen, der Anblick des weißen Hybrids zwischen Drohne und Hubschrauber und die futuristische Skyline Singapurs. Zwei Minuten dauerte der erste bemannte
Flug des Modells 2X von Volocopter, einer Firma mit Sitz in Bruchsal, zwischen Heidelberg und Karlsruhe. Die Drohne wird elektrisch von 18 Rotoren angetrieben und hat zwei Sitzplätze. Beim Test flog der Pilot alleine. Mit einer Reichweite von 27 Kilometern und einer maximalen Geschwindigkeit von 100 Kilometer pro Stunde ist Volocopter ausdrücklich für die Innenstädte gedacht.
Ein anderes Ziel verfolgt der deutsche Konkurrent Lilium. Das Modell der bayerischen Firma ist mit seiner Größe und Schnelligkeit für deutlich weitere Strecke konzipiert. 100 Stundenkilometer seien bei der ersten Testphase schon erreicht worden, meldete das Unternehmen. Dabei ist das Taxi senkrecht gestartet und in den waagerechten Flug übergangen. In weiteren Tests will der Hersteller eine Geschwindigkeit von 300 Stundenkilometern erreichen. 36 Elektromotoren liefern die Energie für den Jet. Mit zwei seitlichen Flügeln sieht er aus wie ein kleines Flugzeug, fünf Personen können darin sitzen. Das besondere an Liliums Flugtaxi sei, dass es nicht nur innerhalb einer Stadt funktioniere, sagte ein Sprecher der Firma. Der Jet könne so Regionen miteinander verbinden. Von dieser Idee ist Lilium offenbar ziemlich überzeugt: Das Unternehmen mit Sitz in Weßling bei München kündigte an, bis 2025 eine neue Produktionsstätte aufzubauen. Dadurch sollen 500 Arbeitsplätze entstehen.
Es sind nicht nur die deutschen Start-ups, die den Markt für sich entdeckt haben. Boeing und Airbus, die bisherigen Marktführer der Passagierluftfahrt, arbeiten auch daran, ihren Einfluss auf den zukünftigen
Markt zu sichern. Die amerikanische Firma Boeing will zusammen mit Porsche schon im kommenden Jahr einen Prototypen in die Luft schicken. Der europäische Flugzeughersteller Airbus ist da schon weiter – bereits Anfang des Jahres stellte das Unternehmen den „Cityairbus“vor – in Zusammenarbeit mit Audi. Auch der Fahrdienstvermittler Uber schaut gen Himmel. Uber Air soll eine „Luft-Mitfahrgelegenheit“sein. 2020 stehen erste Tests in Dallas, Los Angeles und Melbourne an.
Einer Analyse der Unternehmensberatung Roland Berger zufolge arbeiteten 75 Unternehmen bereits Ende 2018 an der Entwicklung von Passagierdrohnen. Bis 2025 werden weltweit rund 3000 solche Geräte fliegen, schätzen die Berater. Der Markt werde exponentiell über diese Zahl hinaus wachsen, so die Prognose. Über das Interview mit Dorothee Bär kann man heute nicht mehr lachen – höchstens über die Reaktionen darauf.