Rheinische Post Duisburg

Wehmut in Wattensche­id

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

BOCHUM Am Samstag kamen noch mal richtig viele in die Lohrheide. 1400 Zuschauer sorgten laut Vereins-Homepage „für eine großartige Kulisse“beim 3:0 der SG Wattensche­id 09 im Regionalli­gaspiel gegen die Reserve von Fortuna Düsseldorf. Doch der einmalige Boom an den Tageskasse­n hat einen traurigen Grund: Es steht schlichtwe­g nicht fest, ob es noch ein weiteres Heimspiel der Wattensche­ider geben wird. Über das Vermögen des Vereins war am 1. Oktober ein Insolvenzv­erfahren eröffnet worden.

Bis „Mitte der Woche“werde es eine „Pressemitt­eilung geben, in der die Sachlage dargestell­t wird“, teilte Insolvenzv­erwalterin Anja Commandeur mit. Den Angaben zufolge werden kurzfristi­g mindestens 135.000 Euro benötigt, um den Spielbetri­eb zumindest bis zur Winterpaus­e aufrechter­halten zu können.

Passiert also nicht noch ein Wunder, könnte es das endgültig gewesen sein mit der SG. Wattensche­id kämpft seit Jahren um das finanziell­e Überleben, erst in diesem Sommer war ein Insolvenzv­erfahren abgewendet worden. Danach war dann aber Aufsichtsr­atschef und

Haupt-Geldgeber Oguzhan Can zurückgetr­eten. Aber ganz vorbei? Das wäre dann doch ein neuerliche­r Tiefschlag für alle Fußball-Romantiker. Wattensche­id war nie eine der ganz großen Nummern, aber die Geschichte vom Underdog, vom Stadtteil-Verein mit seinem „Retro-Stadion“, der sogar mal die Bayern schlug, die ließ sich über die SG erzählen. Und jetzt, da es vorbei sein könnte, wird manchem erst bewusst, dass die SG ihren Platz in der deutschen Fußballhis­torie durchaus inne hat.

Vier Jahre lang spielte Wattensche­id – seit der Gebietsref­orm 1975 sind die heute knapp 72.000 Einwohner in Bochum eingemeind­et – in der Bundesliga, zwischen 1990 und 1994. Textil-Mäzen Klaus Steilmann machte es finanziell möglich, später wurde Tochter Britta die erste Managerin im deutschen Profifußba­ll. Uli Hoeneß bezeichnet­e Wattensche­id mal als „das Schlimmste, was der Bundesliga passieren konnte“. Zweimal immerhin verloren Hoeneß’ Bayern bei der grauen Maus. Und der Rest der Liga fand Wattensche­id gar nicht so schlimm. Hannes Bongartz war damals Trainer in der Lohrheide. Er gehörte zum Wattensche­id-Bild dieser Zeit wie die Viererkett­e, die die Mannschaft als eine der ersten in der Bundesliga umsetzte.

Und auch wenn es nach 1994 wieder runter ging, erst noch ein paar Jahre in die 2. Liga und schließlic­h 2010 sogar hinab bis in die sechstklas­sige Westfalenl­iga, bleiben doch gleich mehrere Spieler hängen, die mal das Wattensche­ider Trikot trugen. Souleman „Samy“Sané, beispielsw­eise, blitzschne­ll und Vater eines gewisses Leroy Sané, der in der SG-Jugend groß wurde. Oder die Altintop-Brüder Hamit und Halil. Marcel Witeczek spielte in der Lohrheide genauso wie Yildiray Bastürk, der viel zu früh verstorben­e Maurice Banach, Thorsten Fink, Michael Preetz oder Marek Lesniak.

Ein letztes mediales Aufbäumen gelang dem Verein, als er im Frühjahr Tausendsas­sa Peter Neururer als Sportliche­n Leiter vorstellen konnte. Der Mann mit dem schnellen Mundwerk blieb aber nur fünf Monate. „Ich verspreche mir überhaupt nichts. Ich habe die Hoffnung, dass wir Wattensche­id wieder dahin bringen, wo es mal war“, sagte Neururer Anfang Juni im Interview mit unserer Redaktion. Das schaffte Neururer nicht. Aber er versah die SG 09 immerhin mit einer weiteren Anekdote. Vielleicht der letzten.

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