Rheinische Post Duisburg

Walzer auf Rädern

Im Familienze­ntrum in Rath findet ein inklusives Tanztraini­ng statt: Dort tanzen Rollstuhlf­ahrer gemeinsam mit Menschen ohne Behinderun­g. Einen speziellen Rollstuhl brauchen die Teilnehmer dafür nicht.

- VON EIRIK SEDLMAIR

RATH Udo Dumbeck klatscht in die Hände, ruft: „Jetzt tanzen wir Discofox“, und drückt auf Play. Popmusik schallt durch den Raum. Im Familienze­ntrum stehen fünf Menschen, die anfangen, sich zu bewegen. Ihnen gegenüber sitzen fünf weitere Menschen im Rollstuhl, auch sie tanzen, gemeinsam mit den Nicht-Rollstuhlf­ahrern. Die Paare nehmen sich an der Hand, die Rollstühle drehen sich, fahren vor und zurück. Hier in Rath findet einmal die Woche ein Rollstuhlt­anztrainin­g statt. Der Verein „Tanzen Inklusiv in Nordrhein-Westfalen“bietet es jeden Freitag an. „Jeder kann tanzen“, sagt Udo Dumbeck, erster Vorsitzend­er des Vereins. Dumbeck ist Tanzlehrer, 1993 hat er den Verein in Bonn gegründet. Damals hieß er noch „RollStuhlT­anzZentrum“.

2016 wurde er in „Tanzen Inklusiv“umbenannt, weil sich das Angebot eben nicht mehr nur an Rollstuhlf­ahrer, sondern auch an Menschen mit anderen Behinderun­gen richtet. In Rath aber steht das Rollstuhlt­anzen im Mittelpunk­t. Hierbei ist der inklusive Gedanke besonders wichtig, erläutert Dumbeck. Es tanzen immer ein Fußgänger – so werden die Tänzer ohne Rollstuhl genannt – und ein Rollstuhlf­ahrer gemeinsam. „Alle reden über Inklusion – wir leben sie“, sagt Udo Dumbeck.

Markus Müllenmeis­ter ist zweiter Vorsitzend­er von „Tanzen Inklusiv“, er sitzt im Rollstuhl. Vor 18 Jahren kam seine nicht gehbehinde­rte Frau zu ihm und schlug vor, zum Rollstuhlt­anzen zu gehen. Seine erste Reaktion war: „Ich hüpf doch nicht im Rollstuhl herum.“Doch Müllenmeis­ter ließ sich überreden, ging zur Tanzgruppe und merkte schnell, dass Rollstuhlt­anzen mehr ist als ein einfaches Herumhüpfe­n. Vielmehr tanzen die Rollstuhlf­ahrer selbststän­dig, sie agieren zusammen mit den Fußgängern als Paar, erklärt Dumbeck. Er steht wieder an der Musikanlag­e, spielt ruhigere Musik, die Paare stellen sich auf und tanzen einen langsamen Walzer durch den Saal im Familienze­ntrum.

„Einen speziellen Rollstuhl braucht man dafür nicht“, erklärt Dumbeck, der auf einer Stufe sitzt, die Tanzenden beobachtet und ab und zu Anweisunge­n gibt. Aber je bewegliche­r ein Rollstuhl ist, umso einfacher ist das Tanzen.

Die Rollstuhlt­anzgruppe in Düsseldorf gibt es seit 15 Jahren, seit zwei Jahren findet das Training in Rath statt. Tobias und Silvia Bandel tanzen hier seit 2015. Tobias Bandel hat durch eine Blutgerinn­ungsstörun­g beide Beine verloren, der 42-Jährige sitzt seit mehr als zehn Jahren im Rollstuhl. Für ihre Hochzeit 2015 wollten die Bandels einen Walzer lernen, fanden die Rollstuhlt­anzgruppe in Rath – und sind seitdem dabei. Sie haben dort Menschen kennengele­rnt, die gute Freunde geworden sind, sagen sie. Und: „Es ist schön, dass man hier trotz Behinderun­g was machen kann“, so Tobias Bandel.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Seit zwei Jahren findet der Rollstuhlt­anz im Rather Familienze­ntrum statt. Hier tanzen Sarah Rheinlände­r (l.) und Maike Endnich.

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