Sorge vor Infektionen in Altenheimen
Den Pflege- und Seniorenheimen in Nordrhein-Westfalen gehen Schutzkleidung und Atemmasken aus. Die Einrichtungen sind von der Corona-Pandemie besonders bedroht. Die Träger fordern, Personal und Bewohner vorrangig zu testen.
DÜSSELDORF In den Pflege- und Seniorenheimen in Nordrhein-Westfalen gibt es nicht genug Schutzkleidung. „Es ist einfach nichts da, und es wird nichts geliefert“, sagte ein Sprecher der Caritas NRW. Die Träger der Einrichtungen beklagen, dass insbesondere Atemschutzmasken der Klasse FFP2 kaum erhältlich seien. Sie könnten Pfleger und Bewohner vor dem Coronavirus schützen. Die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, Christel Bienstein, sagte: „Die Schutzkleidung in den Einrichtungen geht aus.“Das Robert-Koch-Institut empfiehlt Pflegern das Tragen von Masken, eine Pflicht besteht nicht.
Die Pflegeheime sind vom Coronavirus besonders bedroht, da die Bewohner zur Risikogruppe zählen. In einer Einrichtung in Wolfsburg hat es zuletzt 17 Tote gegeben, in Würzburg 13. In einer Seniorenresidenz in Thüringen haben sich mehr als 20 Bewohner infiziert. In einem Heim in Neuss sind zwei Bewohner gestorben; insgesamt 50 Menschen sind dort infiziert. Aus Spanien und Italien gibt es Berichte über zahlreiche Tote in Heimen. In Deutschland leben etwa 800.000 Menschen in 11.700 Pflegeheimen. Der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in NRW, Uwe Hildebrandt, sagte: „Im Moment sind wir noch vor dem Sturm.“Der Virologe Christian Drosten sagte, er sehe anhand der vielen Infektionen in Seniorenheimen den „Beginn einer neuen Entwicklung“auch bei den Todeszahlen in Deutschland.
Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe betreibt 625 Einrichtungen. Vorstand Christian Heine-Göttelmann sagte: „Die Pandemie wird nicht vor den Toren unserer Einrichtungen stoppen.“Dazu brauche es Schutzkleidung. „Bei der letzten Verteilung durch das Land haben unsere Heime und Pflegedienste nicht ausreichend Materialien erhalten. Das ist gefährlich – für unsere Pflegekräfte wie für die Pflegebedürftigen“, so Heine-Göttelmann.
Auch die Hewag-Seniorenstifte am Niederrhein beklagen „völlig unzureichende Bestände an Schutzmaterial“. Geschäftsführer Wieland Kleinheisterkamp bemängelt zu viele Absichtserklärungen aus der Politik, es brauche Verbindlichkeit. „Wir müssen unsere Bewohner schützen“, sagte er. Zudem fordert er deutlich mehr Tests: „Je mehr Tests, desto mehr Sicherheit.“Awo-Geschäftsführer Hildebrandt fordert, Pfleger und Bewohner bevorzugt zu testen.
Auch Desinfektionsmittel sind gefragt. Die Awo verfügt laut Hildebrandt zwar über genügend Kanister, darf sie aber nicht selbst abfüllen. Apotheker müssten das übernehmen, seien aber nicht gut verfügbar.
Im Seniorenheim „Haus Tabita“in Kleinenbroich sind Schutzmaterialien noch verfügbar. „Wir haben durch eine glückliche Fügung jüngst 500 FFP3-Masken für unsere beiden Einrichtungen bekommen“, sagte Leiter Rainer Gerdau. Bisher habe man im Heim keinen Covid-19-Fall. „Wenn die Krankheit bei uns ausbricht, würden wir eine gewisse Zeit mit unseren Masken auskommen, allerdings nicht lang.“Er appellierte zudem an die Politik, die Gehälter in der Pflege anzugleichen. „Klatschen für unsere Mitarbeiter ist toll, aber es hilft leider nicht. Unsere Helden müssen auch entsprechend bezahlt und dadurch gewürdigt werden.“
Awo-Geschäftsführer Hildebrandt kritisierte den Vorschlag von Finanzminister Olaf Scholz, Pflegekräften einen Bonus steuerfrei zu gewähren: „Es wäre sympathischer, wenn der Staat einen Monat auf Steuern und Sozialabgaben verzichten würde und die Pflegekräfte ihr Bruttogehalt bekämen. Sonst müssten den Bonus unsere Bewohner bezahlen.“
Das NRW-Gesundheitsministerium verwies auf umgesetzte Maßnahmen. So habe man Schutzmaterial „in erheblichem Umfang“bestellt. Es werde unverzüglich verteilt. Zudem habe man Besuche in den Pflegeeinrichtungen eingeschränkt oder verboten. Das Ministerium bewerte die Lage täglich neu und passe seine Maßnahmen an die Anforderungen an, hieß es.