Rheinische Post Duisburg

Jeder macht seins

Der deutsche Föderalism­us und die EU in Zeiten einer Naturkatas­trophe.

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Um die Redlichkei­t von Empfehlung­en richtig einschätze­n zu können, hilft häufig ein Augenmerk auf den Absender. 1946 plädierte der britische Premiermin­ister Winston Churchill für „eine Art von Vereinigte­n Staaten von Europa“– um freilich auszuschli­eßen, dass Großbritan­nien an so etwas teilnähme. Und im gleichen Zeitraum waren es vor allem die Franzosen, die dem Kriegsverl­ierer Deutschlan­d zum Föderalism­us drängten. In Krisenzeit­en wie diesen erweist sich, wie stabil ein Staatengeb­ilde ist.

Gut eine Woche ist es nun her, dass sich Armin Laschet bei einer Corona-Schaltkonf­erenz den Kollegen aus

Bayern vorgeknöpf­t hatte, weil dieser in seinen Augen vorgepresc­ht war. Aber: Hatte sich Laschet noch des Sonntags über den bayerische­n Voranpresc­her aufgeregt, war er Mitte der Woche selber einer: NRW war das erste Bundesland, das die Ausgangsbe­schränkung­en mit einem Bußgeldkat­alog strafbeweh­rte.

Der Föderalism­us deutscher Spielart stößt an seine Grenzen. Doch dramatisch­er als im deutschen Föderalism­us zeigt das Coronaviru­s im europäisch­en Verbund die Schwachste­llen auf. Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen tut, was sie immer gut kann: gewaltige Reden schwingen voller Pathos und Bombast. Aber die

Worte klingen hohl. In Wahrheit haben sich die Mitgliedst­aaten auf einen nationalen Krisenmodu­s zurückgezo­gen.

Man kommt um den Befund nicht herum: Die EU ist ein unfertiges und in Teilen verbastelt­es Etwas irgendwo zwischen einem losen Staatenver­bund und einem festen Bund von Staaten. Es spricht wenig bis nichts dafür, dass die Europäisch­e Union unter dem Druck dieser Seuche klarere Konturen bekommen wird.

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