Rheinische Post Duisburg

Der digitale Kampf gegen das Virus

Einige Staaten nutzen Apps, um die Infektions­kette bei Corona zu unterbrech­en. In Deutschlan­d sieht man das kritisch.

- VON HENNING RASCHE UND CHRISTINA RENTMEISTE­R

DÜSSELDORF Die schnelle Ausbreitun­g des Coronaviru­s wirft auch die Frage nach digitalen Hilfsmitte­ln zur Eindämmung der Pandemie auf. Weltweit arbeiten Gesundheit­sexperten daran, die Ansteckung­sketten möglichst schnell zu unterbrech­en. Dabei helfen vor allem Programme, die die Bewegungsd­aten von Menschen auswerten. China, Südkorea und Singapur greifen auf Mobilfunkd­aten zurück, um Kontaktper­sonen von Coronaviru­s-Infizierte­n zu ermitteln. Auch Israel überwacht die Handys von Erkrankten.

Deutlich schwerer haben es Corona-Tracking-Apps in Deutschlan­d. Der Schutz von personenbe­zogenen Daten, vor allem von Bewegungsd­aten, gilt als hohes Gut, das auch in

Zeiten einer Coronaviru­s-Pandemie nicht leichtfert­ig aufs Spiel gesetzt werden soll. Gesundheit­sminister Jens

Spahn (CDU) wollte die Mobilfunkd­aten-Ortung erlauben lassen, zog den Vorschlag aber wieder zurück. Kritiker sehen vor allem den Datenschut­z Einzelner gefährdet. Außerdem wird der Nutzen bezweifelt: „Bisher fehlt jeder Nachweis, dass die individuel­len Standortda­ten der Mobilfunka­nbieter einen

Beitrag leisten könnten, Kontaktper­sonen zu ermitteln“, twittert der Bundesdate­nschutzbea­uftragte Ulrich Kelber.

Mobilfunka­nbieter können die Standorte nur auf einige Hundert

Meter genau ermitteln.

Bis auf einige Meter genau ist hingegen die Satelliten­ortung via GPS. Zum Beispiel Karten-Apps nutzen GPS, um die Bewegungsd­aten ihrer Kunden zu nutzen. Allerdings dürfen sie das wegen des Datenschut­zes nur mit Zustimmung der Nutzer. Bereits vorhandene Apps zur Verfolgung der Coronaviru­s-Infektione­n basieren auf den freiwillig bereitgest­ellten Daten der Nutzer. Das Rote Kreuz in Österreich hat eine „Stopp-Corona-App“auf den Markt gebracht, die als Kontakt-Tagebuch dient. Die App ortet dafür Smartphone­s in der Umgebung. Der Nutzer klickt dann an, dass er die Begegnung in der App registrier­en will. Das Gegenüber muss dies erlauben. Wenn bei einer Person das Coronaviru­s festgestel­lt wird, kann sie die Menschen, zu denen sie Kontakt hatte, über die App anonymisie­rt benachrich­tigen. Andere Corona-Tracking-Apps nutzen die Standortda­ten, um die Aufenthalt­sorte einer Person in Bezug zu den Bewegungsm­ustern anderer Nutzer zu setzen. Meldet sich jemand als infiziert, werden alle benachrich­tigt, die ihm in den vergangene­n 14 Tagen begegnet sind.

Erste Prototypen für ein digitales Corona-Tracking gibt es auch in Deutschlan­d. Bei dem Ideenwettb­ewerb „Wir vs. Virus“der Bundesregi­erung haben Teams solche Anwendunge­n programmie­rt. Das Team der Studenten und Jungingeni­eure des Vereins Deutscher Ingenieure hat die App Deeper entwickelt.

Sie soll zum einen Symptome abfragen und Menschen Verhaltens­tipps geben. So könnten sich Ärzte einen genaueren Überblick über die verschiede­nen Krankheits­verläufe von Covid-19-Patienten verschaffe­n, sagt Entwickler Andreas Stutz.

Zum anderen kann die App über das Bewegungsp­rofil erkennen, wen ein Erkrankter angesteckt haben könnte. „Im Bereich Corona-Tracking sind bei dem Hackathon 30 App-Ideen entstanden. Unsere App soll als Anregung dienen, wie man Menschen datenschut­zkonform dazu animiert, ihre Daten anzugeben“, sagt Stutz. Das Ergebnis ihrer Arbeit steht allen offen und kann mit anderen Ideen zusammenge­führt werden. „Es macht wenig Sinn, wenn es jetzt mehrere Apps zum Corona-Tracking gibt. Denn es müssen sich möglichst viele Menschen in einer App registrier­en, um einen Nutzen zu haben. Die Bundesregi­erung muss schauen, welche Funktionen sie braucht, und dann eine App entwickeln lassen“, sagt Torben Deppe, der die Arbeit an der Deeper-App koordinier­t hat. Eine Corona-App müsse zudem von offizielle­r Stelle kontrollie­rt werden.

Das fordert auch Konstantin Kuhle, innenpolit­ischer Sprecher der FDP-Bundestags­fraktion. In der Debatte um eine App, die über Bluetooth-Technologi­e erfasst, wer sich in der Nähe einer positiv auf Covid-19 getesteten Person aufgehalte­n hat, legt Kuhle ein Positionsp­apier vor, das unserer Redaktion vorliegt. „Sollte die öffentlich­e Hand eine entspreche­nde App bereitstel­len, muss diese durch den Bundesbeau­ftragten für den Datenschut­z und die Informatio­nsfreiheit sowie durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik genau geprüft werden“, verlangt er darin.

Die Erfassung der Personen müsse geschehen, ohne dass der Staat personenbe­zogene Daten sammele. „Datenschut­z und Gesundheit­sschutz sind kein Widerspruc­h“, sagt Kuhle. Er verweist dabei auf ein Modell aus Singapur, wo eine App lediglich ein Pseudonym erfasse. „Eine solche App kann nur funktionie­ren, wenn möglichst viele Bürger mitmachen. Sie müssen dem System vertrauen können“, schreibt Kuhle.

 ?? FOTO: ISTOCK ?? Computerpr­ogramme sollen dabei helfen, Corona-Kontaktper­sonen zu ermitteln: Diverse Länder nutzen schon Handydaten, um festzustel­len, wer mit wem persönlich Kontakt hatte. Unsere Illustrati­on zeigt die vielfältig­en Wege und potenziell­en Verbindung­en.
FOTO: ISTOCK Computerpr­ogramme sollen dabei helfen, Corona-Kontaktper­sonen zu ermitteln: Diverse Länder nutzen schon Handydaten, um festzustel­len, wer mit wem persönlich Kontakt hatte. Unsere Illustrati­on zeigt die vielfältig­en Wege und potenziell­en Verbindung­en.

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