Der digitale Kampf gegen das Virus
Einige Staaten nutzen Apps, um die Infektionskette bei Corona zu unterbrechen. In Deutschland sieht man das kritisch.
DÜSSELDORF Die schnelle Ausbreitung des Coronavirus wirft auch die Frage nach digitalen Hilfsmitteln zur Eindämmung der Pandemie auf. Weltweit arbeiten Gesundheitsexperten daran, die Ansteckungsketten möglichst schnell zu unterbrechen. Dabei helfen vor allem Programme, die die Bewegungsdaten von Menschen auswerten. China, Südkorea und Singapur greifen auf Mobilfunkdaten zurück, um Kontaktpersonen von Coronavirus-Infizierten zu ermitteln. Auch Israel überwacht die Handys von Erkrankten.
Deutlich schwerer haben es Corona-Tracking-Apps in Deutschland. Der Schutz von personenbezogenen Daten, vor allem von Bewegungsdaten, gilt als hohes Gut, das auch in
Zeiten einer Coronavirus-Pandemie nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden soll. Gesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) wollte die Mobilfunkdaten-Ortung erlauben lassen, zog den Vorschlag aber wieder zurück. Kritiker sehen vor allem den Datenschutz Einzelner gefährdet. Außerdem wird der Nutzen bezweifelt: „Bisher fehlt jeder Nachweis, dass die individuellen Standortdaten der Mobilfunkanbieter einen
Beitrag leisten könnten, Kontaktpersonen zu ermitteln“, twittert der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber.
Mobilfunkanbieter können die Standorte nur auf einige Hundert
Meter genau ermitteln.
Bis auf einige Meter genau ist hingegen die Satellitenortung via GPS. Zum Beispiel Karten-Apps nutzen GPS, um die Bewegungsdaten ihrer Kunden zu nutzen. Allerdings dürfen sie das wegen des Datenschutzes nur mit Zustimmung der Nutzer. Bereits vorhandene Apps zur Verfolgung der Coronavirus-Infektionen basieren auf den freiwillig bereitgestellten Daten der Nutzer. Das Rote Kreuz in Österreich hat eine „Stopp-Corona-App“auf den Markt gebracht, die als Kontakt-Tagebuch dient. Die App ortet dafür Smartphones in der Umgebung. Der Nutzer klickt dann an, dass er die Begegnung in der App registrieren will. Das Gegenüber muss dies erlauben. Wenn bei einer Person das Coronavirus festgestellt wird, kann sie die Menschen, zu denen sie Kontakt hatte, über die App anonymisiert benachrichtigen. Andere Corona-Tracking-Apps nutzen die Standortdaten, um die Aufenthaltsorte einer Person in Bezug zu den Bewegungsmustern anderer Nutzer zu setzen. Meldet sich jemand als infiziert, werden alle benachrichtigt, die ihm in den vergangenen 14 Tagen begegnet sind.
Erste Prototypen für ein digitales Corona-Tracking gibt es auch in Deutschland. Bei dem Ideenwettbewerb „Wir vs. Virus“der Bundesregierung haben Teams solche Anwendungen programmiert. Das Team der Studenten und Jungingenieure des Vereins Deutscher Ingenieure hat die App Deeper entwickelt.
Sie soll zum einen Symptome abfragen und Menschen Verhaltenstipps geben. So könnten sich Ärzte einen genaueren Überblick über die verschiedenen Krankheitsverläufe von Covid-19-Patienten verschaffen, sagt Entwickler Andreas Stutz.
Zum anderen kann die App über das Bewegungsprofil erkennen, wen ein Erkrankter angesteckt haben könnte. „Im Bereich Corona-Tracking sind bei dem Hackathon 30 App-Ideen entstanden. Unsere App soll als Anregung dienen, wie man Menschen datenschutzkonform dazu animiert, ihre Daten anzugeben“, sagt Stutz. Das Ergebnis ihrer Arbeit steht allen offen und kann mit anderen Ideen zusammengeführt werden. „Es macht wenig Sinn, wenn es jetzt mehrere Apps zum Corona-Tracking gibt. Denn es müssen sich möglichst viele Menschen in einer App registrieren, um einen Nutzen zu haben. Die Bundesregierung muss schauen, welche Funktionen sie braucht, und dann eine App entwickeln lassen“, sagt Torben Deppe, der die Arbeit an der Deeper-App koordiniert hat. Eine Corona-App müsse zudem von offizieller Stelle kontrolliert werden.
Das fordert auch Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. In der Debatte um eine App, die über Bluetooth-Technologie erfasst, wer sich in der Nähe einer positiv auf Covid-19 getesteten Person aufgehalten hat, legt Kuhle ein Positionspapier vor, das unserer Redaktion vorliegt. „Sollte die öffentliche Hand eine entsprechende App bereitstellen, muss diese durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik genau geprüft werden“, verlangt er darin.
Die Erfassung der Personen müsse geschehen, ohne dass der Staat personenbezogene Daten sammele. „Datenschutz und Gesundheitsschutz sind kein Widerspruch“, sagt Kuhle. Er verweist dabei auf ein Modell aus Singapur, wo eine App lediglich ein Pseudonym erfasse. „Eine solche App kann nur funktionieren, wenn möglichst viele Bürger mitmachen. Sie müssen dem System vertrauen können“, schreibt Kuhle.