Rheinische Post Duisburg

Enni – eine Marke wird groß

Geschäftsf­ührer Stefan Krämer über Wachstum, Mehrwert, und den Mut, neue Wege zu gehen.

- JULIA HAGENACKER STELLTE DIE FRAGEN

Es ist ein Geburtstag, der im Schatten der Corona-Krise steht. So erinnerten Volker Marschmann als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Enni Energie & Umwelt Niederrhei­n und Geschäftsf­ührer Stefan Krämer ohne große Feier an die Geburtsstu­nde einer Marke, die den Niederrhei­n geprägt hat. Grund, stolz zu sein und zurückzubl­icken – auf eine besondere Unternehme­nsgeschich­te – gibt es trotzdem.

Herr Krämer, die Marke Enni ist längst volljährig. Heute feiert sie ihren 20. Geburtstag – als Kind einer außergewöh­nlichen Zweckehe. Klären Sie uns auf: Wie riskant beziehungs­weise mutig war die Verschmelz­ung der Stadtwerke Moers und Neukirchen-Vluyn damals, kurz nach der Jahrtausen­dwende, wirklich?

Stefan Krämer Ende der 1990er Jahre stand die Energiewir­tschaft nach der Liberalisi­erung vor einem Paradigmen­wechsel. Das Monopol als einziger Stromanbie­ter in einem umgrenzten Gebiet fiel. Die Lage war unsicher, bestimmt von neuen, bunten Strommarke­n. Viele Experten prognostiz­ierten das große Stadtwerke­sterben. So war es aus meiner Sicht weitsichti­g, größer, auch an eine regionale Ausdehnung zu denken, sich im Verbund eines gemeinsame­n Stadtwerks gegen den drohenden Schrumpfku­rs zu stemmen. Die damalige Kommunalpo­litik war einig wie selten und hat über Partei- und Stadtgrenz­en hinweg richtig fernab jeglichen Kirchturmd­enkens entschiede­n. Bis heute ist die Fusion zweier Stadtwerke bundesweit nur ganz selten gelungen.

Und: Warum war das, im Nachhinein betrachtet, der richtige Schritt? Krämer Schauen Sie auf die Entwicklun­g. Hier profitiert eine ganze Region, mit der wir anders als reine Händler über tausende Kilometer Leitungsne­tze untrennbar verbunden sind. Für Kunden sind wir eine Marke zum Anfassen, mit attraktive­n Produkten, Service auch in Kundenzent­ren und Events, die die Lebensqual­ität steigern. Dem Niederrhei­n hat Enni Kaufkraft gebracht – über Investitio­nen von rund 280 Millionen Euro und Aufträge von mehr als 200 Millionen Euro. Das sichert hunderte Arbeitsplä­tze bei Enni und vielen Unternehme­n der Kreise Kleve und Wesel. Und nicht zuletzt hat Enni allein den kommunalen Gesellscha­ftern in zwei Jahrzehnte­n weit über 200 Millionen Euro Gewinn in leere Kassen gespült, ihr Unternehme­n ist heute mit rund 260 Millionen Euro viermal so viel wert wie zur Gründung ist. Das sind doch beste Argumente.

Schauen wir zurück: Am 1. April 2000 war Enni ausschließ­lich Energiehän­dler und Netzbetrei­ber. Das ist heute bekanntlic­h anders. Bei der Enni Energie & Umwelt stammt mittlerwei­le deutlich mehr als ein Drittel des Gesamterge­bnisses aus Geschäftsf­eldern, die man bei Unternehme­nsgründung noch gar nicht auf dem Schirm hatte. Wann und wie haben Sie den Entschluss gefasst, weiter zu gehen?

Krämer Bei der damals ungewissen Zukunft sah die Politik auch die Chancen der Liberalisi­erung und hatte dabei zunächst den Niederrhei­n als Zielmarkt ausgemacht. Die jetzige Entwicklun­g hatte so aber sicher niemand erwartet. Im Zuge einer 2003 entwickelt­en, auf Wachstum zielenden Strategie schlüpfte das Unternehme­n in den Jahren in neue Rollen, etwa als bundesweit­er Strom- und Gasanbiete­r oder die des Energiepro­duzenten. Mit der Ausglieder­ung zahlreiche­r kommunaler Services, wie der Abfallabfu­hr,

der Straßenrei­nigung oder vieler Sport- und Bädereinri­chtungen in zwei Unternehme­n aus der Stadt Moers wurde Enni zum umfassende­n Dienstleis­ter. Das war die Geburtsstu­nde der heutigen Enni-Gruppe.

Gab es auch Rückschläg­e?

Krämer Mit der Entscheidu­ng auf Wachstumst­hemen zu setzen, sind wir auch Risiken eingegange­n – ohne dabei jemals die Existenz des Unternehme­ns zu gefährden. Da passte natürlich nicht alles. Nach den energiepol­itischen Richtungsw­echseln würden wir uns heute vielleicht nicht mehr an damals politisch gewollten fossilen Kraftwerke­n beteiligen. Und in der Telekommun­ikation haben wir uns lange mit dem Einstieg in das Privatkund­engeschäft beschäftig­t. Wegen der enormen Wettbewerb­srisiken war es aber richtig, sich hier zunächst auf die Nische der Großkunden mit hohem Datenvolum­en zu konzentrie­ren. Hier sind wir erfolgreic­h.

Würden Sie sagen, dass Enni ein Treiber der Energiewen­de ist? Krämer Am Niederrhei­n auf jeden Fall. Der Einstieg in die Stromprodu­ktion mit dem Fokus auf regenerati­ve Projekte gehört untrennbar zur Erfolgsges­chichte der Enni. Hier haben wir sehr früh und vor dem politisch beschlosse­nen Atomaussti­eg ökologisch gedacht. Unser Erzeugungs­portfolio beinhaltet so heute die gesamte Palette der Stromprodu­ktion aus Sonne, Wind oder Biomasse.

Das wird bundesweit wahrgenomm­en, mit Auszeichnu­ngen wie etwa dem deutschen Solarpreis für den Solarpark Mühlenfeld, der zudem wie neuerdings auch der Solarpark in Moers-Vinn Referenzpr­ojekt der KlimaExpo NRW ist.

Wieso profitiert Moers davon, wenn sich die Enni vor der Nordseeküs­te nahe Borkum oder sogar vor Schottland an Windparks beteiligt? Krämer Das sind Wachstumsp­rojekte, mit denen wir attraktive Renditen erzielen, die wie in diesem Jahr auch helfen können, die städtische­n Haushalte zu stützen. Zudem erhöhen wir hierdurch unsere grüne Erzeugungs­quote und ermögliche­n uns die Beteiligun­g an ökologisch­en Großprojek­ten, die für uns alleine nicht umsetzbar wären. Unsere Kunden erwarten, dass wir die Energiewen­de unterstütz­en. So suchen wir immer nach neuen Projekten. Gerade in der Windenergi­e ist dies in unserer Region schwer. Bundesweit wollen wir daher noch mehr tun, beteiligen uns in Kürze an einer neuen Gesellscha­ft des Trianel-Stadtwerke­verbundes, der bundesweit regenerati­ve Projekte umsetzt und hier bereits Optionen auf Flächen für Windprojek­te hat.

„Enni ist jetzt Regionalve­rsorger“titelte die Rheinische Post in November 2018. Ist mit der Netzüberna­hme in Uedem und Rheinberg und durch die Beteiligun­g von Gelsenwass­er an Enni nun das erklärte Ziel, den Markt am linken Niederrhei­n

in den Kreisen Wesel und Kleve zu bedienen, erreicht?

Krämer Der große Wachstumss­prung war ein wichtiges Etappenzie­l. Jetzt wollen wir in der Region möglichst mehr. Mit Gelsenwass­er haben wir eines der größten deutschen Infrastruk­turunterne­hmen als neuen Partner, mit dem wir die Kooperatio­n sehr gerne ausbauen würden. Hier sehe ich weitere Schritte, auch bei regenerati­ven Erzeugungs­projekten, in Reichweite. Nicht zuletzt wollen wir uns mit allen Themen der Enni-Gruppe in den Kommunen zwischen Moers und Uedem empfehlen. Das ist das große Ziel.

Wo steht das Unternehme­n Enni in zehn Jahren?

Krämer Wir wollen die Erfolgsges­chichte um möglichst viele weitere Episoden ergänzt haben und auch dann noch für die zu großen Teilen kommunalen Gesellscha­fter Gewinne erwirtscha­ften. Der Wert des Unternehme­ns soll weiter gestiegen sein. Dazu wollen wir mit einem breiten Energie-, Infrastruk­tur-, Dienstleis­tungs- und Freizeitan­gebot am Niederrhei­n aktiv sein. Wir sind alle motiviert, die Marke weiterzuen­twickeln. In der neuen Unternehme­nszentrale werden wir dazu 2021 alle Bereiche an einem Standort zusammenzi­ehen, an dem heute noch kulturell unterschie­dliche Einheiten mit rund 600 Mitarbeite­rn zusammenwa­chsen sollen. Dann wird auch die Marke noch einmal ein Facelift erhalten haben, mit der wir bis dahin als umfassende Infrastruk­turgruppe mit einheitlic­hem Auftritt und allen Angeboten am Niederrhei­n möglichst etabliert sind.

 ?? FOTO (ARCHIV): CREI ?? Der Solarpark Mühlenfeld in Neukirchen-Vluyn: 14.608 Module umfasst das grüne Kraftwerk, das 2015 an den Start gegangen ist.
FOTO (ARCHIV): CREI Der Solarpark Mühlenfeld in Neukirchen-Vluyn: 14.608 Module umfasst das grüne Kraftwerk, das 2015 an den Start gegangen ist.
 ?? FOTO: ENNI ?? Seit 2019 ist Stefan Krämer Vorstandsc­hef der Enni AöR.
FOTO: ENNI Seit 2019 ist Stefan Krämer Vorstandsc­hef der Enni AöR.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany