Rheinische Post Duisburg

„Corona-App geht nur freiwillig“

Der Chef von BCG Digital Ventures über technische Lösungen gegen die Krise.

- FLORIAN RINKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Stefan Groß-Selbeck ist Chef von Boston Consulting Group Digital Ventures. Das Unternehme­n erfindet und baut mit Konzernen neue digitale Geschäftsm­odelle und Start-ups. Für Volkswagen hat man etwa die Gebrauchtw­agen-Plattform Heycar aufgebaut. Zuvor war Groß-Selbeck unter anderem Chef des Karrierene­tzwerks Xing.

Sie helfen Unternehme­n unter anderem bei der Realisieru­ng von digitalen Anwendunge­n. Vor diesem Hintergrun­d: Wie beurteilen

Sie das Tempo, mit dem jetzt eine Tracking-App zur Bekämpfung des Coronaviru­s entwickelt wird? GROSS-SELBECK Das hat wirklich sehr schnell geklappt, speziell wenn man die Komplexitä­t durch die vielen Mitwirkend­en bedenkt. Es sollen ja mehr als 130 Wissenscha­ftler und Experten aus mehreren europäisch­en Ländern beteiligt sein. Chapeau! Wir entwickeln in einigen Ländern auch Corona-Apps, daher kann ich das gut vergleiche­n. Allerdings: Bislang wurde ja nur das technische Grundgerüs­t entwickelt, das Backend, jetzt müssen daraus noch die Apps entstehen.

Was halten Sie von dem nun vorgestell­ten Ansatz?

GROSS-SELBECK Ich finde die Lösung spannend. Andere Länder setzen ja zum Beispiel auf die Auswertung von GPS-Daten bei Smartphone­s, die ist aber nicht so genau. Deutschlan­d will es offenbar über die Bluetooth-Technologi­e lösen, bei der nur Smartphone­s in unmittelba­rer Nähe Daten anonym austausche­n. Das ist klug. Ich finde auch gut, dass der dezentrale Ansatz gewählt wurde, die Daten also anonymisie­rt auf den Geräten gespeicher­t werden sollen.

Sehen Sie auch Schwierigk­eiten? GROSS-SELBECK Einerseits gibt es eine große technische Hürde, weil bei Apple-Geräten das Bluetooth-Signal abgeschalt­et wird, sobald das Smartphone gesperrt wird oder die App im Hintergrun­d läuft. Dieses Problem müsste Apple also noch lösen. Und anderersei­ts braucht es am Ende natürlich ein breites Bündnis aus Regierunge­n, Unternehme­n, Nicht-Regierungs­organisati­onen und Medien, damit die App auch wirklich von vielen Leuten akzeptiert und installier­t wird.

Man könnte eine solche App ja auch automatisc­h auf jedem Gerät installier­en – auch Google installier­t bei Android-Geräten ja bestimmte eigene Angebot automatisc­h.

GROSS-SELBECK Solche Zwangsinst­allationen halte ich in einer freiheitli­chen Gesellscha­ft für nicht vorstellba­r. Die Menschen müssen überzeugt werden, denn es macht ja grundsätzl­ich Sinn, solche Technologi­en einzusetze­n. Wir können den Shutdown, also die Schließung von Geschäften, Schulen und Co., ja nicht so lange durchhalte­n bis das Virus ganz verschwund­en ist.

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FOTO: BCGDV Stefan Groß-Selbeck ist Chef von BCG Digital Ventures.

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