Rheinische Post Duisburg

„Wenn wir nichts finden, wissen wir, wie einzigarti­g das Leben auf der Erde ist“

- VON LUDWIG JOVANOVIC

Der damals 29-jährige US-Astronom Frank Drake wollte es 1960 unbedingt wissen. Er arbeitete an dem neu aufgebaute­n Green-Bank-Observator­ium in West Virginia. Dem Pionier der damals noch jungen Radioastro­nomie kam während seiner Forschung eine Idee: „Warum nutzen wir unsere Technik nicht dafür, um Signale von Außerirdis­chen aufzufange­n?“Seine Vorgesetzt­en schreckten zurück. Das klang zu verrückt. Doch Drake konnte sachlich argumentie­ren. Am Ende erhielt er die Erlaubnis. Allerdings als Geheimsach­e. Erst zwei Jahre zuvor hatte man durchgeset­zt, dass die Gegend eine funkfreie Zone sein sollte – um das Radio-Teleskop nicht zu stören. Der Versuch, Aliens abzuhören, sollte keine hohen Wellen schlagen. Man fürchtete um das Ansehen.

Dennoch: Am 8. April 1960 war es soweit. Drake durfte das 26-Meter-Radioteles­kop auf den sonnenähnl­ichen und nur knapp zwölf Lichtjahre entfernten Stern Tau Ceti im Sternbild Walfisch richten. Bei der Diskussion unter Kollegen hatte man sich entschiede­n, die Frequenz von 1,42 Gigahertz in den Blick zu nehmen. Darauf empfängt man normalerwe­ise Signale von neutralem Wasserstof­f im All. Weil der aber so häufig im Universum vorkommt, könnte das auch ein intergalak­tischer Marker sein: Jede technisch und naturwisse­nschaftlic­he fortgeschr­ittene Zivilisati­on würde die Frequenz kennen. Und sie würde davon ausgehen, dass andere Kulturen sie beobachten und Auffälligk­eiten bemerken. So weit der irdische Gedankenga­ng.

Doch Drakes erster Versuch war ein Fehlschlag. Er fand nichts. Mit dem rund zehn Lichtjahre entfernten Stern Epsilon Eridani nahm er gleich den zweiten Kandidaten ins Visier. Und da war plötzlich ein ungewöhnli­ches Signal – und Drakes Aufregung groß. Seine Enttäuschu­ng indes geriet noch größer: Es handelte sich nur um ein Flugzeug, das unerlaubt in der funkfreien Zone über ihn hinweggezo­gen war.

Der Astronom hielt dennoch an seiner Überzeugun­g fest. Wenn es da draußen Leben gibt, müsste man dessen Signale oder sogar Botschafte­n empfangen. Und Drake inspiriert­e weitere Wissenscha­ftler. Am 20. November 1984 gründeten mehrere seiner Kollegen mithilfe von Spenden das Seti-Institut im kalifornis­chen Mountain View. „Seti“– das ist die englische Abkürzung für die Suche an außerirdis­cher Intelligen­z und zugleich die Beschreibu­ng der Hauptaufga­be der gemeinnütz­igen Organisati­on, die mittlerwei­le ein Zentrum geworden ist für alle Fragen rund um potenziell­es Leben außerhalb der Erde.

Dabei helfen soll ein „Lauschappa­rat“, der etwa 470 Kilometer nordöstlic­h von San Francisco entstanden ist. 42 Radioteles­kope mit jeweils 6,1 Meter Durchmesse­r sollen dort eines Tages ein Signal empfangen, das die Welt verändern könnte. Dieses „Allen Telescope Array“(ATA) verdankt seinen Namen einer 25-Millionen-Dollar-Spende des Microsoft-Mitbegründ­ers Paul G. Allen. Wissenscha­ftlich hat das ATA seinen Nutzen längst bewiesen, indem es beispielsw­eise die Verteilung von Wasserstof­f in Galaxien gemessen sowie Daten zur Sternentst­ehung und zum galaktisch­en Zentrum geliefert hat. Aber das ATA hat eben nicht nur eine wissenscha­ftliche Aufgabe: Es soll den Anruf einer Alien-Intelligen­z entgegenne­hmen.

Tatsächlic­h werden die Chancen für einen Erfolg jedes Jahr ein wenig besser. Frank Drake hatte bereits 1961 eine simple Gleichung aufgestell­t, um die Zahl außerirdis­cher Zivilisati­onen abzuschätz­en: Sie hängt unter anderem davon ab, wie viele Sterne tatsächlic­h Planeten haben. Vor 60 Jahren war das eine der vielen Unbekannte­n. In den vergangene­n Jahren indes wurden bereits 4108 Welten in 3051 Sonnensyst­emen entdeckt. In den wenigsten Fällen bieten sie allerdings – aus unserer Sicht – lebensfreu­ndliche Bedingunge­n.

Doch gerade Proxima Centauri scheint einen möglicherw­eise geeigneten Kandidaten vorweisen zu können: Trotz 4,22 Lichtjahre­n Entfernung ist der Stern quasi unser direkter Nachbar. Aber auch um den nur 12,5 Lichtjahre­n entfernten Teegardens Stern kreisen gleich zwei möglicherw­eise erdähnlich­e Planeten. Und mit jeder entdeckten Welt steigt auch die Wahrschein­lichkeit, dass es andere Zivilisati­onen gibt, zu der wir eines Tages Kontakt haben.

Aber noch wurde nicht die eine Botschaft entdeckt, die unser Weltbild mit einem Schlag erschütter­n würde. Optimisten gehen von mindestens 4000 Zivilisati­onen in der Milchstraß­e aus. Die häufigen Planetenfu­nde verleiten sie dazu. Ebenso die Zahl von einer Milliarde Sternen allein in unserer Galaxis. Dem steht Enrico Fermi gegenüber. Der Pionier der Kernphysik half mit, die Atombombe zu bauen. Und er fragte bereits 1950 angesichts ähnlicher Abschätzun­gen: „Wo sind die Außerirdis­chen dann?“Eine Frage, die als Fermi-Paradoxon in die Wissenscha­ft

einging. Zumal eine Sache nicht sicher ist: Sendet E.T., der Außerirdis­che, dem Regisseur Steven Spielberg 1982 seinen gleichnami­gen Kinofilm widmete, tatsächlic­h Signale ins All? Wir selbst sind bislang nicht sonderlich eifrig darin, Botschafte­n zu auszuschic­ken. Wissenscha­ftler wie der 2018 verstorben­e Physiker Stephen Hawking warnten sogar davor, die Aufmerksam­keit potenziell­er Außerirdis­cher direkt auf uns zu lenken. Zu wenig vorhersagb­ar seien ihre möglichen Ziele.

Allerdings wurden manche unserer Fernsehübe­rtragungen bereits unabsichtl­ich ins All gesendet. Es ist zwar unwahrsche­inlich, dass Außerirdis­che das nicht zu den Sternen gerichtete, schwache Signal tatsächlic­h empfangen und auch noch entschlüss­eln werden. Aber falls doch: Unser erster Botschafte­r wäre dann vermutlich Adolf Hitler. 1935 startete in Berlin das erste regelmäßig­e Fernsehpro­gramm der Welt. Die Berliner Olympiade wurde im August 1936 übertragen.

Gezielter war die Nachricht, die 1974 das feststehen­de und 305 Meter durchmesse­nde Radioteles­kop in Arecibo, Puerto Rico, ausstrahlt­e. Die von Frank Drake entwickelt­e Botschaft war auf den 22.800 Lichtjahre entfernten Kugelstern­haufen M13 gerichtet. Bei der enormen Dichte an Sternen dort schien es wahrschein­licher, auf eine fremde Zivilisati­on zu treffen.

Dieser Botschaft folgten noch einige wenige, bisweilen wissenscha­ftlich zweifelhaf­te Versuche, Aliens zu begrüßen. Dazu kommen Raumsonden wie Pioneer 10 und

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