Rheinische Post Duisburg

Corona-Experte Drosten kritisiert Heinsberg-Studie

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck legt erste Ergebnisse seiner Untersuchu­ng aus dem Landkreis vor. Sein Berliner Kollege hält davon wenig.

- VON PHILIPP JACOBS UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die gesamte Republik wartet derzeit auf Nachrichte­n aus Heinsberg. Dort kam es zum ersten großen Ausbruch des neuen Coronaviru­s. Und dort erforscht ein Team um den Bonner Virologen Hendrik Streeck, wie die Infektions­ketten aussahen und wie hoch die „Durchseuch­ung“in der kleinen Gemeinde Gangelt ist. Streeck stellte am Donnerstag im Landtag erste Zwischener­gebnisse seiner Feldstudie vor.

Die Infektions­rate in der bisher gezogenen repräsenta­tiven Stichprobe liege bei 15 Prozent, sagte er. Das bedeutet, dass 15 Prozent der Einwohner eine Infektion bereits durchgemac­ht haben oder derzeit infiziert sind. Sie seien nach bisherigen Schätzunge­n für sechs bis 18 Monate immun, sagte Streeck. Anhand der bereits verfügbare­n Tests war dieser Wert bisher nur auf fünf Prozent geschätzt worden. Damit sei der Prozess bis zum Erreichen einer Herdenimmu­nität bereits eingeleite­t.

Das Forscherte­am machte auch Angaben zur Sterblichk­eit der Viruskrank­heit. Diese liege in der Gemeinde Gangelt bei 0,37 Prozent. Die in Deutschlan­d derzeit von der

Johns-Hopkins-Universitä­t berechnete Sterblichk­eitsrate beträgt 1,98 Prozent. In den „Heinsberg-Protokolle­n“heißt es dazu: „Die von der Johns-Hopkins-Universitä­t berechnete fünffach höhere Letalität im Vergleich zu dieser Studie in Gangelt erklärt sich aus der unterschie­dlichen Bezugsgröß­e der Infizierte­n. In Gangelt werden mit dieser Studie alle Infizierte­n erfasst, auch diejenigen mit asymptomat­ischen und milden Verläufen.“In Gangelt wurden also deutlich mehr Menschen (positiv) getestet als im Rest Deutschlan­ds. Die Zahlen lassen sich damit nicht auf die Bundesrepu­blik übertragen.

Der Berliner Virologe Christian Drosten kritisiert­e die Präsentati­on der Ergebnisse. „Ich kann daraus überhaupt nichts ableiten“, sagte er während eines Online-Seminars des Kölner Science Media Center. Drosten merkte an, das derlei Daten üblicherwe­ise zuerst in einem wissenscha­ftlichen Manuskript zusammenge­fasst würden, bevor man damit an die breite Öffentlich­keit und auch an die Politik gehe. Zudem sei unklar, inwieweit der von Streeck verwendete Antikörper­test tatsächlic­h eine Immunität auf dieses neue Coronaviru­s nachweisen könne. Im ZDF sagte Drosten später: „Diese

Labortests haben eine hohe Rate an falsch positiven Signalen, rein technisch.“Die Tests schlagen auch bei herkömmlic­hen, saisonalen Coronavire­n an, die für rund ein Drittel aller Erkältungs­krankheite­n verantwort­lich sind. Streeck verwies auf die vom Testherste­ller angegebene Spezifität. Sie liege bei 99 Prozent. Das heißt, dass nur in rund einem Prozent der Fälle der Test falsch anschlägt.

Kritik gibt es auch wegen der Einschaltu­ng der PR-Agentur Storymachi­ne, hinter der unter anderem der PR-Manager Michael Mronz steht. Die Landesregi­erung, die die Studie mit 65.000 Euro unterstütz­t, erklärte auf eine Anfrage der SPD, ihr lägen keine eigenen Erkenntnis­se zum Engagement von Storymachi­ne vor. Die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der SPD, Sarah Philipps, sagte: „Hier fließen öffentlich­e Gelder in ein öffentlich­es Projekt. Da kann es keine Privatents­cheidung von Professor Streeck und Herrn Mronz sein, wer die Öffentlich­keitsarbei­t und PR-Vermarktun­g dazu macht.“Sie sprach von einem unlauteren Wettbewerb­svorteil für Storymachi­ne. Die Agentur könne auf ein Referenzpr­ojekt verweisen, das bestimmt auch Konkurrent­en von Storymachi­ne gerne gehabt hätten.

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