Rheinische Post Duisburg

Rettungspa­ket der EU nach hartem Streit

Die Finanzmini­ster der EU-Länder einigen sich auf ein Sicherheit­snetz für Arbeitnehm­er, Unternehme­n und Staaten. Der Kompromiss findet partei- und länderüber­greifend großes Lob.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Das 540 Milliarden Euro schwere Rettungspa­ket, auf das sich die Finanzmini­ster der 27 EU-Staaten in der Nacht zu Freitag geeinigt haben, stößt europaweit und parteiüber­greifend auf große Zustimmung. Nach langem Ringen hatten die Finanzmini­ster beschlosse­n, dass innerhalb von wenigen Wochen jeweils ein Sicherheit­snetz aufgespann­t werden soll für Arbeitnehm­er, Unternehme­n sowie für EU-Mitgliedst­aaten.

Was wurde beschlosse­n?

Die Europäisch­e Investitio­nsbank (EIB) soll zinsgünsti­ge Kredite im Volumen von 200 Milliarden Euro für Kleinunter­nehmen und Mittelstän­dler anbieten. Zudem soll die EU-Kommission 100 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, damit Mitgliedst­aaten Kurzarbeit­ergeld-Regelungen nach dem deutschen Muster anbieten können. Darüber hinaus sollen über den Euro-Rettungssc­hirm ESM Kreditlini­en im Wert von 240 Milliarden Euro für EU-Staaten mit Finanzprob­lemen bereitgest­ellt werden. Jedes Mitgliedsl­and kann so sehr günstige Kredite bekommen, um die beschlosse­nen Rettungspa­kte für die eigene Wirtschaft zu finanziere­n.

Was genau soll der Euro-Rettungsfo­nd ESM leisten?

Der ESM, der nach der Staatsschu­ldenkrise 2009 von den Regierunge­n eingericht­et wurde, ist gedacht für Mitgliedst­aaten, die Finanzprob­leme haben. Ihnen soll so erspart werden, dass sie hohe Risikoaufs­chläge bei der Aufnahme von Schulden an den Finanzmärk­ten zahlen müssen.

Worum ging der erbitterte Streit? Das Programm zur Kurzarbeit sowie die Überbrücku­ngskredite der EIB waren unumstritt­en. Eine Debatte gab es beim ESM. Der vergibt Kredite üblicherwe­ise nur unter strengen Auflagen. So mussten sich Griechenla­nd und die anderen überschuld­eten Länder zu Strukturre­formen am Arbeitsmar­kt und in der Rentenvers­icherung verpflicht­en. Kontrolleu­re kamen regelmäßig ins Land, um die Erfüllung der Auflagen zu überprüfen. Italien bestand jetzt darauf, dass es keinerlei Auflagen für die Kredite geben soll. Die Niederland­e legten dagegen zunächst ihr Veto ein. Sie forderten, dass die Länder zu wirtschaft­lichen Reformen verpflicht­et werden.

Wie wurde der Streit gelöst?

Die Niederland­e gaben nach. Sie sind nun einverstan­den, dass Staaten Hilfskredi­te gewährt werden, ohne dass sie dafür nennenswer­te Vorbedingu­ngen erfüllen müssen. Sie müssen sich einzig verpflicht­en, das Geld der Europäisch­en Union zur Bekämpfung von Corona zu benutzen.

Was ist mit Corona-Anleihen? Schon nach den ersten Verhandlun­gen war klar, dass es gemeinsame Schulden der EU-Mitgliedst­aaten nicht geben würde. Zwar hatten es neun Mitgliedst­aaten wie etwa Italien, Spanien, Frankreich, Portugal und Belgien gefordert. Doch vier Länder – Deutschlan­d, Niederland­e, Finnland und Österreich – lehnen eine gesamtschu­ldnerische Haftung ab. Eine gemeinsame Haftung würde bedeuten, dass der deutsche Steuerzahl­er dafür aufkommen würde, wenn ein anderes Land Pleite geht.

Haben die Anhänger von Euro-Bonds aufgegeben?

Sie wurden vertröstet. Die Finanzmini­ster haben sich verständig­t, einen Fonds aufzulegen, der nach der akuten Gesundheit­skrise solidarisc­h den Wiederaufb­au der darniederl­iegenden EU-Volkswirts­chaft finanziere­n soll. Wie dieser Fonds finanziert wird, ist noch nicht entschiede­n. Die Befürworte­r von Euro-Bonds setzen darauf, dass es zur gemeinsame­n Aufnahme von Schulden kommt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Bundesregi­erung Euro-Bonds dann zustimmt. Sie sagt, dass gemeinsame Schulden nur dann möglich seien, wenn auch die Wirtschaft­s- und Haushaltsp­olitik gemeinsam betrieben wird.

Reicht das Geld aus?

Das kann derzeit niemand sagen. Die Kommission geht davon aus, dass die Wirtschaft­sleistung in der EU 2020 um zehn Prozent einbricht. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) befürchtet, dass Hilfen von anderthalb Billionen Euro nötig sind. Allein die Bundesregi­erung hat Maßnahmen beschlosse­n, die den Haushalt 350 Milliarden Euro kosten.

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FOTO: DPA Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD), hier vor seinem Ministeriu­m in Berlin, gilt als einer der Architekte­n der Einigung.

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