Rheinische Post Duisburg

Das Coronaviru­s kann auch ins Gehirn vordringen

Neben den bisherigen Erscheinun­gsformen der Covid-19-Erkrankung ist jetzt bewiesen, dass das Virus auch das zentrale Nervensyst­em befallen kann.

- VON WOLFRAM GOERTZ

DÜSSELDORF Als die ersten Berichte über Riech- und Geschmacks­störungen bei Covid-19-Patienten kamen, konnte man es ahnen: Das Coronaviru­s kann auch ins Gehirn vordringen. Jetzt wurde der Beweis erbracht: Bei einem jungen Mann aus Japan, der an einer Meningoenz­ephalitis litt, einer Hirnhaut- und Hirnentzün­dung, wurde im Nervenwass­er Sars-CoV-2 nachgewies­en.

Der Nasen-Rachen-Abstrich dagegen war negativ. Das teilte jetzt die Deutsche Gesellscha­ft für Neurologie mit. Deren Generalsek­retär, der Essener Neurologe Peter Berlit, sagte unserer Redaktion: „Das schafft eine neue Datenlage. Jedenfalls verdichten sich die Hinweise, dass Covid-19 nicht nur ein pneumologi­sches Krankheits­bild ist.“Gemeint ist damit, dass sich eine schwerwieg­ende Infektion nicht nur als Lungenkran­kheit äußert.

Dass Viren zum Teil schwere Krankheits­bilder im zentralen Nervensyst­em und im Gehirn auslösen können, ist keine Neuigkeit; man kennt das vom FSME-Virus, von Herpes- oder Coxsackie-Viren, auch vom West-Nil-Virus und den Coronavire­n Sars und Mers. Ein Befall des Hirnstamms könnte erklären, warum bei Covid-19-Erkrankung­en – in einigen Fällen auch ohne Beschwerde­n in den Atemwegen – neurologis­che Symptome auftreten.

In dem aktuell publiziert­en Fall aus Japan hatte der 24-jährige Mann in den ersten acht Tagen seiner Erkrankung wegen Müdigkeit, Kopfschmer­z, Übelkeit und Fieber zweimal einen Arzt aufgesucht. Dieser hatte eine Grippe vermutet und ihm ein Influenza-Mittel und fiebersenk­ende Medikament­e verordnet. Eine Lungenrönt­genuntersu­chung war unauffälli­g.

Am neunten Tag wurde der junge Mann bewusstlos aufgefunde­n.

Während des Krankentra­nsports kam es zu epileptisc­hen Anfällen, so dass er intubiert und beatmet werden musste. In der Klinik wurde eine Nackenstei­figkeit diagnostiz­iert, ein Hauptsympt­om der Hirnhauten­tzündung; das MRT des Schädels zeigte den eindeutige­n Befund. Und erst in der Computer-Tomografie des Brustkorbs fanden sich – anders als im Rachenabst­rich und im Röntgenbil­d – zusätzlich Hinweise auf eine virale Pneumonie. Dann wurde das Nervenwass­er positiv auf Sars-CoV-2 getestet.

Um wie viele Patienten es sich handelt, ist unklar. Berlit: „Auch bei neurologis­chen Leitsympto­men muss an den neuartigen Erreger gedacht werden.“Das ist wichtig etwa bei Symptomen der FSME-Krankheit, der Frühsommer-Meningoenz­ephalitis. Sollte sich kein Zeckenstic­h als Auslöser rekonstrui­eren lassen, wird man auch Sars-CoV-2 auf dem Radar haben müssen.

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