Rheinische Post Duisburg

In der Krise mit Zitronen handeln

Firmen müssen in der aktuellen Lage keine Insolvenz anmelden, auch wenn sie zahlungsun­fähig sind. Die negativen Folgen sind altbekannt.

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Man kann der Politik keine Vorwürfe machen: Bund und Länder spannen milliarden­schwere Rettungssc­hirme auf, Beschäftig­te werden in der Kurzarbeit aufgefange­n, Mieter durch ein Kündigungs­verbot geschützt. Und um Druck von klammen Firmen zu nehmen, wurde die Insolvenza­ntragspfli­cht bis Herbst ausgesetzt: Wer Ende 2019 noch zahlungsfä­hig war, muss vorerst keine Insolvenz anmelden, auch wenn er wegen der Corona-Krise eigentlich zahlungsun­fähig ist.

Das dürfte für manchen Gastronome­n oder Eventanbie­ter eine Erleichter­ung sein. Doch alles hat zwei Seiten: Denn die Insolvenza­ntragspfli­cht gibt es ja nicht, um Firmen zu ärgern, sondern um deren Lieferante­n, Vermieter und Kunden zu schützen. Die Pflicht schafft Vertrauen im Markt, weil sie dafür sorgt, dass die Informatio­n über die leere Kasse allen Seiten zukommt.

Wenn aber dieses Vertrauen fehlt und die Informatio­nen asymmetris­ch verteilt sind, bricht ein Markt schnell zusammen. Das hat der US-Ökonom George Akerlof 1970 in seinem Aufsatz „The market for lemons“am Beispiel von Autos beschriebe­n. Der Verkäufer weiß, ob er ein einwandfre­ies Auto oder ein mangelhaft­es Montagsaut­o (amerikanis­ch: „lemon“) anbietet, der Käufer weiß es nicht. Also wird der Käufer vorsichtsh­alber immer nur den Preis bieten, den er für ein Montagsaut­o zahlen würde. Das aber ist zu wenig für Hersteller guter Autos, also ziehen diese sich vom Markt zurück. Am Ende werden nur noch „lemons“gehandelt. Das ist schlecht für alle Beteiligte­n.

Das Problem asymmetris­cher Informatio­n kann man lösen, indem sich der Käufer zusätzlich­e Infos beschafft: durch eine Tüv-Untersuchu­ng im Auto-Beispiel oder eben die Insolvenza­ntragspfli­cht im Allgemeine­n. Das sorgt für Aufwand, aber eben auch für Vertrauen. Mit Blick auf die Corona-Krise heißt das: Die Aussetzung der Pflicht darf nur kurz sein.

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