Rheinische Post Duisburg

Leben in New York in der Corona-Krise

Carolin Pook lebt mit ihrer kleinen Familie in Brooklyn, einem der fünf Stadtbezir­ke von New York City. „Man spürt den Stillstand überall in der Stadt“, berichtet die Musikerin im Gespräch mit unserer Zeitung.

- VON ANJA KATZKE

MOERS / NEW YORK Die Millionen-Metropole steht still. Die Zahl der Neuinfekti­onen mit dem Coronaviru­s stieg in den vergangene­n Tagen dramatisch, New York ist das Epizentrum in den USA. „Man spürt den Stillstand überall, die Stimmung ist angespannt – wie die Ruhe vor dem Sturm“, schildert Carolin Pook ihre Eindrücke. Die Musikerin, die 2016 als Improviser in Residence in Moers lebte und wirkte, wohnt mit ihrer kleinen Familie in Brooklyn. Es geht ihr gut.

„Die Stimmung ist angespannt - wie die Ruhe vor dem Sturm“

„Wir, alle meine Freunde und Kollegen nehmen die Situation sehr ernst und verlassen das Haus nur zum Einkaufen“, berichtet sie. Pook schätzt, dass etwa 80 Prozent der New Yorker draußen eine Maske zum Schutz tragen. „Ich selbst wickele mir einen Schal um, wenn ich in den Supermarkt gehe. Jeder versucht, einen großen Bogen um den anderen zu machen. Man ist ja zurecht verängstig­t“, erzählt sie. Vor den Lebensmitt­elgeschäft­en bildeten sich lange Warteschla­ngen. Und auf den Fußgängerw­egen vor den Geschäften zeigten Segmente an, wieviel Abstand eingehalte­n werden müsse. Alles andere sei geschlosse­n. „Und wie es in den Krankenhäu­sern gerade aussieht, kann man sich ja ungefähr vorstellen.“

Die New Yorker seien wütend auf ihre Regierung. Das seien sie zwar immer, sagt Pook. Doch nun werfen sie ihr vor, die Situation lange Zeit nicht ernst genug genommen zu haben. „Gleichzeit­ig herrscht hier eine große Ernsthafti­gkeit. Ich habe das Gefühl, dass sich die meisten New Yorker in Extremsitu­ationen gut einfügen können. Es ist ja eine extreme Stadt.“Doch die Sorge bleibt: Wie werden die Menschen im Viertel reagieren, wenn es drastische Ausgangssp­erren und eine deutlich höhere Polizeiprä­senz gibt? „Ich gebe mir große Mühe, meine Informatio­nen über das Coronaviru­s und die Lage nur aus seriösen Quellen zu erhalten, viele davon aus Deutschlan­d. Diesen kann man entnehmen, dass in den USA viel zu spät angefangen wurde, die Menschen auf das Virus zu testen.“

Carolin Pook, die von 2000 bis 2006 Jazzviolin­e und Schlagzeug an der Musikhochs­chule Köln studiert hat, erhielt nach ihrem Studienabs­chluss ein Stipendium für einen New-York-Aufenthalt. Sie blieb und gründete unter anderem das Kammermusi­k-Ensemble „The Pookestra“. Die Moerser haben sie 2016 als Stadtmusik­erin und Botschafte­rin des Moers Festivals kennengele­rnt.

Carolin Pook, die ihre Familie in Deutschlan­d vermisst, ist froh darüber, dass auch die New Yorker in der Corona-Krise solidarisc­h zusammenst­ehen: „Jeden Abend um 19 Uhr stehen sie an ihren Fenstern und applaudier­en den Menschen, die versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Wahrschein­lich bekommen die das gar nicht mit, da sie nonstop im Einsatz sind.“

Beruflich ergeht es Pook wie zurzeit allen Künstlern weltweit. Aufträge und Konzert wurden bis auf weiteres abgesagt. „Was akut nicht die Miete zahlt. Das macht uns natürlich Sorge, gerade weil es hier für das Künstlerge­werbe keine Zuschüsse gibt wie in Deutschlan­d, wo die Lage offensicht­lich sehr vorbildlic­h und schnell geklärt wurde.“

Pook berichtet, dass viele ihrer Kollegen versuchen, mit Konzerten auf Instagram und Facebook auf sich aufmerksam zu machen. Die Violinisti­n und Schlagzeug­erin wünscht sich, dass gerade jetzt die Alben der Künstler im Internet gekauft würden. „Das würde uns helfen.“

Pook will die aktuelle Situation nutzen und von Zuhause aus ein Soloalbum aufnehmen. Das genaue Format steht noch nicht fest: „Vielleicht wird es ein ruhiges kontemplat­ives Album. Vielleicht lade ich auch Kollegen ein, mir einige Tracks zu schicken.“

Moers und das Festival hat sie nicht vergessen: „So wie ich Tim Isfort und sein Team einschätze, wird alles versucht, mit der Lage kreativ und mutig umzugehen. Das sind ja auch Improviser. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Am Ende entscheide­t die Gesundheit der Bürger. Deshalb hoffe ich für Deutschlan­d, dass es in absehbarer Zeit zu einer neuen Normalität zurückkehr­en kann. Hier wird es vermutlich noch eine Weile dauern.“

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FOTO: DIEKER Die Moerser haben Carolin Pook als Stadtmusik­erin und Botschafte­rin des Moers Festivals kennen gelernt.

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