Rheinische Post Duisburg

„Nun setzen wir auf Online-Lehre“

Bald beginnt an den Unis das Sommerseme­ster – wie geplant, nur online. Die Ruhr-Uni hat sich dazu früher als andere entschloss­en.

- ISABELLE DE BORTOLI FÜHRTE DAS INTERVIEW.

BOCHUM Die Hochschule­n in Nordrhein-Westfalen werden das anstehende Sommerseme­ster ab dem 20. April mit reiner Online-Lehre starten. Ob es während des Semesters eine veränderte Lage erlaubt, dass Präsenzver­anstaltung­en hinzukomme­n, sei nicht absehbar, so die Landesrekt­orenkonfer­enz der Universitä­ten und Hochschule­n. Insgesamt werden 770.000 Studierend­e davon betroffen sein. Frühzeitig hat sich die Ruhr-Universitä­t Bochum dazu entschiede­n, Vorlesunge­n und Seminare präsenzlos stattfinde­n zu lassen und den Beginn des Sommerseme­sters nicht weiter zu verschiebe­n. Kornelia Freitag, Prorektori­n für Lehre und Internatio­nales, erklärt, wie dies funktionie­ren wird.

Frau Freitag, wie kam es zu der Entscheidu­ng, das Sommerseme­ster weitgehend ohne Präsenzver­anstaltung­en stattfinde­n zu lassen? FREITAG Wir möchten sicherstel­len, dass unsere Studierend­en keine Zeit verlieren, dass sie ein vollwertig­es

Semester studieren können, in dem sie Kompetenze­n und auch die notwendige­n Credit Points erwerben können. Sie bekommen ein breites Angebot, wenn es auch ein anderes ist als sonst. Wir möchten den Studierend­en den Studienfor­tschritt ermögliche­n, den sie sich vorgenomme­n hatten – trotz Corona.

Die Ruhr-Universitä­t möchte in allen Fakultäten, in allen Studiengän­gen digitale Angebote bieten – wie stemmen Sie das?

FREITAG Die Digitalisi­erung der Lehre ist für uns nichts Neues. Die Krise hat uns quasi mitten in der Umsetzung unserer Digitalisi­erungsstra­tegie erwischt. Wir setzen an der Ruhr-Universitä­t auf eine zeitgemäße universitä­re Lehre und waren ohnehin auf dem Weg, die Lehre zu digitalisi­eren. In allen Fakultäten wurden im Zuge dessen Konzepte entwickelt – und als die Krise einsetzte, war uns klar: Nun setzen wir auf die Online-Lehre, früher als geplant und anders als geplant, aber wir können das schaffen. Eigentlich ist der Plan, digitale Angebote und Präsenzleh­re im Sinne des Blended Learning zu verschränk­en – das geht nun in diesen Zeiten nicht.

Wie werden die Lehrenden auf diesem Weg unterstütz­t?

FREITAG Zunächst mal muss ich sagen: Ich habe große Achtung vor all unseren Kollegen, besonders vor denen, die eigentlich noch nicht vorhatten, digitale Angebote zu entwickeln. Alle lassen sich viel einfallen, geben sich große Mühe und versuchen, das Beste aus den digitalen Möglichkei­ten herauszuho­len. Sie müssen nun sehr viel mehr Zeit und Anstrengun­g aufwenden, um Lehrangebo­te zu machen. Unterstütz­t werden sie dabei von unserem Zentrum für Wissenscha­ftsdidakti­k. Es hat eine Webseite mit verschiede­nen Szenarien aufgesetzt, wie man Präsenzleh­re in ein Online-Angebot verwandeln kann. Das wird verständli­ch in einfachen Schritten erklärt, und natürlich unterstütz­en wir unsere Lehrenden bei allen ihren Fragen. Und das fakultätsü­bergreifen­d. Und auch unsere Digi- und E-Scouts helfen mit: Das sind Studierend­e, die extra dazu ausgebilde­t wurden, um Lehrende bei der Konzeption der digitalen Lehre zu unterstütz­en.

Wie kann digitale Lehre aussehen? Der Professor überträgt seine Vorlesung

an die Studierend­en, die vor dem PC sitzen?

FREITAG Das ist eine Möglichkei­t. Das Basis-Szenario ist, dass der Dozent über die Plattform Moodle Materialie­n für die Studierend­en einstellt, also Literatur, Aufsätze und ähnliches, und gleichzeit­ig Schreibauf­träge gibt, die die Studierend­en dann erfüllen und zurücksend­en. Dabei sind Studierend­e und Lehrende gar nicht gleichzeit­ig online. Natürlich kann man auch virtuelle Begegnunge­n herstellen, auch internatio­nal übrigens. Also, beispielsw­eise ein Seminar online halten, eine Vorlesung streamen, mit den Studierend­en dazu reden oder chatten. Ein weiteres Feature wäre es, dass die Studierend­en sich in virtuellen Gruppen über Aufgaben

austausche­n, Dinge miteinande­r erarbeiten. Außerdem gibt es die Möglichkei­t der Virtual Reality, also beispielsw­eise VR-Simulation­en von Forschung im Feld; oder der Dozent besucht mit den Studierend­en digitale Archive, als Ersatz für die reale Bibliothek.

Stichwort Bibliothek: Die ist ja den Studierend­en nicht zugänglich. Wie sollen so Abschlussa­rbeiten und Seminararb­eiten geschriebe­n werden?

FREITAG Es ist richtig, dass für uns alle der Zugang zu den Bibliothek­en existenzie­ll und vieles eben noch nicht über elektronis­che Zeitschrif­ten oder eBooks zu bearbeiten ist. Hier müssen wir noch eine Lösung finden – wir arbeiten an Szenarien,

wie man sich begegnungs­arm auf dem Campus begegnen kann, wenn es wieder möglich ist.

Ein weiteres Problem ist das Lehr-Angebot für Fächer, in denen eigentlich Praxisphas­en oder Laboreinsä­tze vorgesehen wären – gibt es dafür Lösungen?

FREITAG Wir können in unserem Digitalen Sommerseme­ster nicht die ganze Lehre in vollem Umfang ersetzen. Es gibt Studieninh­alte, die ohne Präsenz nicht realisierb­ar sind. Das betrifft Laborprakt­ika in Chemie oder Physik, das betrifft Feldversuc­he der Geologen oder Untersuchu­ngen der Biologen in der freien Natur. Und auch unsere Sportwisse­nschaftler können viele Experiment­e „am lebenden Objekt“nicht durchführe­n. Virtuelle Labore ersetzen nicht ganz die praktische Erfahrung in der Realität. Aber natürlich werden die genannten Fächer Angebote bekommen – und wir werden Wege finden, all das nachzuhole­n, sobald die Labore auf dem Campus wieder nutzbar sind. Genauso sind wir in engem Kontakt mit der Landesregi­erung und den anderen NRW-Hochschule­n: Es geht ja auch darum, dass die Lehramtsst­udierenden ihre Schulprakt­ika machen können, dass die Mediziner in die Praxis kommen. Unsere Botschaft an unsere Studierend­en ist: Sie können sich auf die Ruhr-Uni verlassen. Wir machen ihnen gute Angebote.

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FOTO: RUB/KATJA MARQUARD Menschenle­er ist der Campus heute; die Lehre aber geht weiter: nur digital.

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