„Es gibt die Lüge vom erkrankten Verwandten“
In der Corona-Krise wittern Trickbetrüger ihre große Chance. Ein Duisburger Kommissar erklärt, wie die Täter vorgehen.
Immer wieder versuchen Trickbetrüger, die Gutgläubigkeit anderer Menschen auszunutzen. Im vergangenen Jahr verdoppelte sich die Zahl der angezeigten Delikte. Die Polizei Duisburg registrierte mehr als 500 Fälle, in denen Betrüger sich als Enkel oder Polizisten ausgaben. Kriminalhauptkommissar Ralf Schäfer arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der Kriminalprävention.
Herr Schäfer, gibt es den Enkeltrick bereits in der Corona-Version?
Ralf Schäfer Tatsächlich ja. Menschen werden angerufen und jemand tischt ihnen die Lüge vom erkrankten Verwandten auf. Der liegt im Krankenhaus und hat sich mit dem Coronavirus angesteckt. Für eine angemessene Behandlung braucht er aber Geld. Also will er einen Freund vorbeischicken, der eine hohe Summe abholt. Das entspricht im Prinzip dem Enkeltrick, nur die Legende dahinter ist eine andere.
Überrascht es Sie, dass die Täter sofort auf die Krise reagiert haben? Schäfer In Krisenzeiten versuchen Kriminelle immer, mit der Angst der Bevölkerung Geld zu machen. Der Betrug am Telefon und an der Haustür ist weiterhin hoch im Kurs. Zu meiner Freude kann ich aber sagen, dass wir zumindest in Duisburg seit Beginn der Coronakrise keine erhöhten Fallzahlen bei Trickbetrug festgestellt haben. In anderen Städten ist das anders.
Wie gehen die Betrüger vor – gibt es größere Banden?
Schäfer Es tauchen immer mal Einzeltäter auf, aber grundsätzlich handelt es sich bei Trickbetrug um organisierte Kriminalität, bei der arbeitsteilig vorgegangen wird. Vor allem in Polen und in der Türkei stehen ganze Callcenter, aus denen vor allem ältere Menschen angerufen werden. Eine Person, ich nennen ihn mal den Keiler, versucht am Telefon, das Vertrauen des Opfers zu gewinnen. Komplizen ihn Deutschland holen dann das Geld ab.
Klingt sehr aufwendig.
Schäfer Das ist es, und sehr gut strukturiert. Aus den Callcentern werden oft auch Anrufe zu diesen falschen Gewinnspielen getätigt. Die Leute, die dort arbeiten, sprechen meist akzentfrei Deutsch, die Nummer ist manchmal sogar als inländische Nummer oder Notruf der Polizei 110 getarnt. Es fällt also gar nicht auf, dass der Anruf aus dem Ausland kommt. Dann gehen die Täter Telefonbücher durch, rufen irgendwo an. Für sie ist das eine Art Kundenakquise, nur eben völlig kalt und perfide.
Das klappt ja aber sicher nicht immer.
Schäfer Nein, natürlich nicht, viele Senioren sind auch sehr aufmerksam. Einmal hat uns eine ältere Dame, fast 80 Jahre alt, informiert, nachdem eine Betrügerin bei ihr angerufen hatte. Sie wollte 20.000 Euro, um dringend ein Auto zu kaufen und fragte die Frau: „Oma, hast du das Geld?“Die bejahte und rief von der Täterin unbemerkt die Polizei. Mit einem Kollegen bin ich zu ihr gefahren, wir konnten den nächsten Anruf dann live verfolgen und hören, dass die Betrügerin nach mehr Geld fragte. Als die Seniorin vorgab, als eiserne Reserve noch weitere 5000 Euro zu haben, forderte die Täterin auch dieses letzte Geld. Diese Skrupellosigkeit hat mich erschüttert.
Trickbetrug gibt es auch in physischer Form, etwa wenn ein falscher Polizist an der Tür klingelt. Wie funktioniert das?
Schäfer Die Täter geben sich als Kriminalbeamte aus und kommen ohne Uniform. Sie zeigen dann oft einen gefälschten Dienstausweis. Kaum jemand weiß ja, wie ein echter Ausweis der Polizei aussieht. In der Wohnung schauen sie sich dann um, überprüfen den Einbruchsschutz und wenn sie weg sind, fällt irgendwann auf, das Geld fehlt. Gerade bei älteren Menschen klappt diese Masche gut, Staatsbedienstete genießen da einen besonders hohen Respekt. Da wird das positive Obrigkeitsdenken schamlos ausgenutzt.
Sind die Opfer immer älter?
Schäfer Senioren werden bei einigen Tricks bevorzugt, weil die Täter davon ausgehen, dass ältere Menschen eher Geld zu Hause haben und unvorsichtiger sind. Da wird das sonst so verlässliche Bauchgefühl schwächer. Gefährdet ist aber jeder von uns. Jüngere Menschen, so ist mein Eindruck, haben einen weniger großen Erfahrungsschatz und fühlen sich unverwundbar. Auch da ist ganz schnell jemand abgelenkt und das Handy aus der Hosentasche verschwunden. Beide Zielgruppen sind für Betrüger ideal.
Wie kann man sich vor Trickbetrug schützen?
Schäfer Wer bei einem Anruf misstrauisch wird, sollte sofort auflegen und die Polizei rufen. Das ist auch wichtig, damit wir von den Fällen wissen und die Dunkelziffer nicht so groß wird. Fremde sollte man generell nicht in die Wohnung lassen, erst recht nicht, wenn sie Druck ausüben. Auf gar keinen Fall sollte man aber gegenüber Unbekannten Angaben zu finanziellen Verhältnissen machen. Steht die 110 im Telefondisplay, können Sie davon ausgehen, dass das nicht wir sind, sondern wahrscheinlich Betrüger. Wir rufen nie mit dieser Nummer an. Für die Jüngeren gilt: Sprechen Sie mit Ihren älteren, oftmals alleinlebenden Verwandten darüber. Je besser das soziale Umfeld funktioniert, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, von Betrügern überrumpelt zu werden.