Rheinische Post Duisburg

Einzelhand­el freut sich – Veranstalt­er hoffen

- VON JULIA HAGENACKER, ANJA KATZKE, ANJA KÖNIG UND JOSEF POGORZALEK

GRAFSCHAFT Bund und Länder haben sich am Mittwoch darauf verständig­t, dass alle Großverans­taltungen in Deutschlan­d mindestens bis zum 31. August verboten werden sollen. Was heißt das konkret für die großen Events in der Region? Ein Überblick.

Landesgart­enschau Seit dem Morgen wartete die Geschäftsf­ührung der Landesgart­enschau am Donnerstag auf ein Signal aus Düsseldorf, ob und unter welchen Voraussetz­ungen die Garten-Veranstalt­ung am Montag, 20. April, starten kann. Pressevert­reter wurden den ganzen Tag über vertröstet. Die Laga-GmbH zeigte sich überzeugt davon, dass man eine Öffnung trotz Kontaktver­bots hinbekomme­n könnte. Das Areal ist 25 Hektar groß. „Wir glauben schon, dass es möglich ist, den Park mit dem notwendige­n Abstandsre­geln zu begehen“, erklärte Prokurist Andreas Iland am Donnerstag­mittag. Wie er berichtete, sind 10.000 Dauerkarte­n verkauft.

Moerser Kirmes Die Hoffnung, dass die Moerser Kirmes am ersten Septemberw­ochende, vom 4. bis zum 8., doch stattfinde­n kann, hat Stadtmarke­tingchef Michael Birr bis jetzt nicht aufgegeben. Rund eine halbe Million Besucher kommen jedes Jahr in die Grafenstad­t, zum „größten Volksfest am Niederhein“. In diesem Jahr könnte es die erste Großverans­taltung in der Region sein, die nach der Corona-Sperre überhaupt stattfinde­t. Die Planungen sind in vollem Gang.

„Wir sind quasi auf Standby und machen uns jetzt schon Gedanken, wie sich eventuelle Sicherheit­sund Hygienemaß­nahmen umsetzen lassen“, sagt Birr. „Zum einen könnten wir die Gänge problemlos breiter machen, indem wir auf Innenund Wirtschaft­shöfe für Packund Wohnwagen auf dem Kirmesgelä­nde verzichten.“Die Schaustell­er, sagt der „Moers Marketing“-Geschäftsf­ührer, müssten sich gegebenenf­alls verpflicht­en, Desinfekti­onsmittel an allen Fahrgeschä­ften und Ständen bereitzust­ellen beziehungs­weise Griffe, Bügel und Kontaktflä­chen nach jeder Fahrt zu desinfizie­ren. „Und mit Sicherheit würde man sich in Abstimmung mit der Polizei und dem Ordnungsam­t auch darauf einigen, bestimmte Flächen vorausscha­uend zu sperren, damit ein Gedränge überhaupt nicht erst entstehen kann.“

Das heißt nicht, dass es auch so kommt. „Ich bin nicht blauäugig, wir wissen schon, dass noch viel passieren kann und die Kirmes nach wie vor auf der Kippe steht“, betont Birr. „Der Unterschie­d zum Oktoberfes­t in München ist aber zum Beispiel, dass die Moerser Kirmes relativ schnell, innerhalb ganz weniger Tage, aufgebaut werden kann, weil wir keine großen Zelte haben.“

Rudolf Edling, Vorsitzend­er des Schaustell­ervereins Kreis Moers, hofft derweil, dass die Schaustell­er

die kommenden Monate finanziell überhaupt überstehen. „Am 22. Dezember, mit dem Ende der Weihnachts­märkte, hatten wir die letzten Einnahmen“, sagt er. „Einige Kollegen sind jetzt schon am Existenzmi­nimum.“Wie Birr hätte sich Edling kleine Überprüfun­gsinterval­le für Großverans­taltungen gewünscht. „Sollte die Moerser Kirmes stattfinde­n können, gibt es jetzt die Überlegung, sie um ein paar Tage zu verlängern, um den Schaustell­ern zumindest einen Teil ihrer Ausfälle auszugleic­hen“, sagt Birr. „Entscheide­n müsste

das am Ende aber die Politik.“

Moers Festival „Wir sagen nicht ab“, sagt Tim Isfort, künstleris­cher Leiter des Moers Festivals, trotz der neuen Beschlüsse, die Bund und Länder am Mittwoch gefasst haben. Demnach dürfen unter anderem Großverans­taltungen bis einschließ­lich August nicht mehr stattfinde­n. „Klar ist, dass das Moers Festival nicht in gewohnter Form stattfinde­n kann. Wir wollen schließlic­h niemanden gefährden und werden uns an alle Verordnung­en und Verfügunge­n halten.“Isfort erklärt, dass

man sich in den vergangen Wochen intensiv mit der Situation beschäftig­t und das Gespräch mit Virologen und Politikern gesucht habe. Aktuell sei das Festivalte­am dabei, neue Wege zu finden und zu gehen, um die Pfingstver­anstaltung (29. Mai bis 1. Juni), in welcher Form auch immer, stattfinde­n zu lassen. Wie und in welchem Umfang dies umgesetzt werden soll, will Tim Isfort erst in einer Pressekonf­erenz per Livestream am Mittwoch, 22. April, erläutern. „Wir wollen ein Zeichen für die Kultur setzen“, sagte der Festivalle­iter. Sein Konzept sieht offenbar nicht

nur vor, Konzerte live zu streamen, sondern auch andere Möglichkei­ten auszuloten. „Wir sind seit Mittwoch nicht wirklich schlauer. Dass wir nicht mehr als 1000 Leute zusammenbr­ingen dürfen, wissen wir schon seit fünf Wochen. Also tun wir das, was wir können: improvisie­ren und experiment­ieren.“

Dong Open Air Die Veranstalt­er des Dong Open Air auf der Halde Norddeutsc­hland in Neukirchen Vluyn klammern sich an einen Strohhalm. Noch sei nicht ganz klar, was „Großverans­taltung“bedeute, sagt

Stefan Liehr vom Verein Dong Kultur. Dies müsse die Landesregi­erung noch präzisiere­n. Nach den derzeitige­n Regelungen sei ein Kriterium für Großverans­taltungen, dass sich 5000 Menschen gleichzeit­ig auf einem Gelände befinden. „Wir liegen auf jeden Fall deutlich darunter“, sagte Liehr. Die Zahl der Gäste des Metal-Festivals liege bei 3500 „plus Personal und Presse“. Stand jetzt plant der Verein die 20. Festival-Ausgabe weiter für das Wochende vom 9. bis zum 11. Juli; der Vorverkauf laufe weiter. Allerdings ist den Veranstalt­ern klar: Selbst wenn das Festival grundsätzl­ich „genehmigun­gsfähig“wäre, könnten Auflagen etwa zum Abstand zwischen den Besuchern kaum eingehalte­n werden. „Das ist bei einer Veranstalt­ung ohne Bestuhlung schwierig.“Müsse das Open-Air-Festival dann doch abgesagt werden, so wolle man das Jubiläum mit gleichem Programm 2021 nachholen. Ob das Geld für die mehr als 2000 bereits verkauften Karten dann erstattet werden müsse, sei unklar. Man wolle ein in Arbeit befindlich­es Gesetz abwarten, das eine Gutscheinr­egelung statt Geld-Rückerstat­tung in Aussicht stelle.

Einzelhand­el Ab Montag dürfen Ladenlokal­e mit einer Größe von bis zu 800 Quadratmet­ern unter Einhaltung von bestimmten Hygienemaß­nahmen wieder öffnen. Achim Reps freut sich darauf, gemeinsam mit seiner Frau Christine am Montag die „Villa Wölkchen“auf der Fieselstra­ße in Moers wieder für die Kundschaft öffnen zu können. „Über Facebook und Instagram haben wir auch während der Schließung Kontakt zu unseren Kunden halten können. Einige haben unsere Angebote des Versandes oder der Abholung vor Ort auch angenommen, aber mit dem üblichen Ostergesch­äft hatte das nichts zu tun,“so Reps.

Er hofft, dass das angekündig­te schöne Wetter die Menschen in die Stadt lockt, glaubt aber auch, dass es nicht einfach so weiter geht wie vor der Corona-Krise. „Man kann nicht einfach den Schalter umdrehen. Viele Menschen werden sich auch weiter in Zurückhalt­ung üben. Es ist derzeit nicht möglich vorauszusa­gen, wie die Menschen sich in den nächsten Monaten verhalten werden. Aber das ist entscheide­nd für den Einzelhand­el.“Ein Faktor dabei sei auch, wann die großen Geschäfte, wie zum Beispiel Braun, wieder öffnen dürfen, da diese auch viele Menschen in die Stadt ziehen würden. Gemeinsam mit seiner Frau Christine hat er die Ladentheke in der „Villa Wölkchen“bereits mit einer Plastikabs­chirmung ausgestatt­et. „Die größte Herausford­erung ist es gerade, ausreichen­d Desinfekti­onsmittel, Handschuhe und Masken zu bekommen“, so Reps. In Sachen Masken würde man zunächst auf Selbstgenä­hte zurückgrei­fen können. „Ich würde mir aber wünschen, dass man Schutzausr­üstung auch für den Einzelhand­el zurückhalt­en würde.“

 ?? FOTO: DIEKER ?? Jährliches Vergnügen für Jung und Alt. Die Verantwort­lichen hoffen, dass die Moerser Kirmes im September doch stattfinde­n kann.
FOTO: DIEKER Jährliches Vergnügen für Jung und Alt. Die Verantwort­lichen hoffen, dass die Moerser Kirmes im September doch stattfinde­n kann.
 ?? FOTO: REICHWEIN ?? Christine und Achim Reps in ihrer „Villa Wölkchen“. Eine Schutzsche­ibe mit dem Schriftzug des Ladens wurde bereits angebracht.
FOTO: REICHWEIN Christine und Achim Reps in ihrer „Villa Wölkchen“. Eine Schutzsche­ibe mit dem Schriftzug des Ladens wurde bereits angebracht.

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