Einzelhandel freut sich – Veranstalter hoffen
GRAFSCHAFT Bund und Länder haben sich am Mittwoch darauf verständigt, dass alle Großveranstaltungen in Deutschland mindestens bis zum 31. August verboten werden sollen. Was heißt das konkret für die großen Events in der Region? Ein Überblick.
Landesgartenschau Seit dem Morgen wartete die Geschäftsführung der Landesgartenschau am Donnerstag auf ein Signal aus Düsseldorf, ob und unter welchen Voraussetzungen die Garten-Veranstaltung am Montag, 20. April, starten kann. Pressevertreter wurden den ganzen Tag über vertröstet. Die Laga-GmbH zeigte sich überzeugt davon, dass man eine Öffnung trotz Kontaktverbots hinbekommen könnte. Das Areal ist 25 Hektar groß. „Wir glauben schon, dass es möglich ist, den Park mit dem notwendigen Abstandsregeln zu begehen“, erklärte Prokurist Andreas Iland am Donnerstagmittag. Wie er berichtete, sind 10.000 Dauerkarten verkauft.
Moerser Kirmes Die Hoffnung, dass die Moerser Kirmes am ersten Septemberwochende, vom 4. bis zum 8., doch stattfinden kann, hat Stadtmarketingchef Michael Birr bis jetzt nicht aufgegeben. Rund eine halbe Million Besucher kommen jedes Jahr in die Grafenstadt, zum „größten Volksfest am Niederhein“. In diesem Jahr könnte es die erste Großveranstaltung in der Region sein, die nach der Corona-Sperre überhaupt stattfindet. Die Planungen sind in vollem Gang.
„Wir sind quasi auf Standby und machen uns jetzt schon Gedanken, wie sich eventuelle Sicherheitsund Hygienemaßnahmen umsetzen lassen“, sagt Birr. „Zum einen könnten wir die Gänge problemlos breiter machen, indem wir auf Innenund Wirtschaftshöfe für Packund Wohnwagen auf dem Kirmesgelände verzichten.“Die Schausteller, sagt der „Moers Marketing“-Geschäftsführer, müssten sich gegebenenfalls verpflichten, Desinfektionsmittel an allen Fahrgeschäften und Ständen bereitzustellen beziehungsweise Griffe, Bügel und Kontaktflächen nach jeder Fahrt zu desinfizieren. „Und mit Sicherheit würde man sich in Abstimmung mit der Polizei und dem Ordnungsamt auch darauf einigen, bestimmte Flächen vorausschauend zu sperren, damit ein Gedränge überhaupt nicht erst entstehen kann.“
Das heißt nicht, dass es auch so kommt. „Ich bin nicht blauäugig, wir wissen schon, dass noch viel passieren kann und die Kirmes nach wie vor auf der Kippe steht“, betont Birr. „Der Unterschied zum Oktoberfest in München ist aber zum Beispiel, dass die Moerser Kirmes relativ schnell, innerhalb ganz weniger Tage, aufgebaut werden kann, weil wir keine großen Zelte haben.“
Rudolf Edling, Vorsitzender des Schaustellervereins Kreis Moers, hofft derweil, dass die Schausteller
die kommenden Monate finanziell überhaupt überstehen. „Am 22. Dezember, mit dem Ende der Weihnachtsmärkte, hatten wir die letzten Einnahmen“, sagt er. „Einige Kollegen sind jetzt schon am Existenzminimum.“Wie Birr hätte sich Edling kleine Überprüfungsintervalle für Großveranstaltungen gewünscht. „Sollte die Moerser Kirmes stattfinden können, gibt es jetzt die Überlegung, sie um ein paar Tage zu verlängern, um den Schaustellern zumindest einen Teil ihrer Ausfälle auszugleichen“, sagt Birr. „Entscheiden müsste
das am Ende aber die Politik.“
Moers Festival „Wir sagen nicht ab“, sagt Tim Isfort, künstlerischer Leiter des Moers Festivals, trotz der neuen Beschlüsse, die Bund und Länder am Mittwoch gefasst haben. Demnach dürfen unter anderem Großveranstaltungen bis einschließlich August nicht mehr stattfinden. „Klar ist, dass das Moers Festival nicht in gewohnter Form stattfinden kann. Wir wollen schließlich niemanden gefährden und werden uns an alle Verordnungen und Verfügungen halten.“Isfort erklärt, dass
man sich in den vergangen Wochen intensiv mit der Situation beschäftigt und das Gespräch mit Virologen und Politikern gesucht habe. Aktuell sei das Festivalteam dabei, neue Wege zu finden und zu gehen, um die Pfingstveranstaltung (29. Mai bis 1. Juni), in welcher Form auch immer, stattfinden zu lassen. Wie und in welchem Umfang dies umgesetzt werden soll, will Tim Isfort erst in einer Pressekonferenz per Livestream am Mittwoch, 22. April, erläutern. „Wir wollen ein Zeichen für die Kultur setzen“, sagte der Festivalleiter. Sein Konzept sieht offenbar nicht
nur vor, Konzerte live zu streamen, sondern auch andere Möglichkeiten auszuloten. „Wir sind seit Mittwoch nicht wirklich schlauer. Dass wir nicht mehr als 1000 Leute zusammenbringen dürfen, wissen wir schon seit fünf Wochen. Also tun wir das, was wir können: improvisieren und experimentieren.“
Dong Open Air Die Veranstalter des Dong Open Air auf der Halde Norddeutschland in Neukirchen Vluyn klammern sich an einen Strohhalm. Noch sei nicht ganz klar, was „Großveranstaltung“bedeute, sagt
Stefan Liehr vom Verein Dong Kultur. Dies müsse die Landesregierung noch präzisieren. Nach den derzeitigen Regelungen sei ein Kriterium für Großveranstaltungen, dass sich 5000 Menschen gleichzeitig auf einem Gelände befinden. „Wir liegen auf jeden Fall deutlich darunter“, sagte Liehr. Die Zahl der Gäste des Metal-Festivals liege bei 3500 „plus Personal und Presse“. Stand jetzt plant der Verein die 20. Festival-Ausgabe weiter für das Wochende vom 9. bis zum 11. Juli; der Vorverkauf laufe weiter. Allerdings ist den Veranstaltern klar: Selbst wenn das Festival grundsätzlich „genehmigungsfähig“wäre, könnten Auflagen etwa zum Abstand zwischen den Besuchern kaum eingehalten werden. „Das ist bei einer Veranstaltung ohne Bestuhlung schwierig.“Müsse das Open-Air-Festival dann doch abgesagt werden, so wolle man das Jubiläum mit gleichem Programm 2021 nachholen. Ob das Geld für die mehr als 2000 bereits verkauften Karten dann erstattet werden müsse, sei unklar. Man wolle ein in Arbeit befindliches Gesetz abwarten, das eine Gutscheinregelung statt Geld-Rückerstattung in Aussicht stelle.
Einzelhandel Ab Montag dürfen Ladenlokale mit einer Größe von bis zu 800 Quadratmetern unter Einhaltung von bestimmten Hygienemaßnahmen wieder öffnen. Achim Reps freut sich darauf, gemeinsam mit seiner Frau Christine am Montag die „Villa Wölkchen“auf der Fieselstraße in Moers wieder für die Kundschaft öffnen zu können. „Über Facebook und Instagram haben wir auch während der Schließung Kontakt zu unseren Kunden halten können. Einige haben unsere Angebote des Versandes oder der Abholung vor Ort auch angenommen, aber mit dem üblichen Ostergeschäft hatte das nichts zu tun,“so Reps.
Er hofft, dass das angekündigte schöne Wetter die Menschen in die Stadt lockt, glaubt aber auch, dass es nicht einfach so weiter geht wie vor der Corona-Krise. „Man kann nicht einfach den Schalter umdrehen. Viele Menschen werden sich auch weiter in Zurückhaltung üben. Es ist derzeit nicht möglich vorauszusagen, wie die Menschen sich in den nächsten Monaten verhalten werden. Aber das ist entscheidend für den Einzelhandel.“Ein Faktor dabei sei auch, wann die großen Geschäfte, wie zum Beispiel Braun, wieder öffnen dürfen, da diese auch viele Menschen in die Stadt ziehen würden. Gemeinsam mit seiner Frau Christine hat er die Ladentheke in der „Villa Wölkchen“bereits mit einer Plastikabschirmung ausgestattet. „Die größte Herausforderung ist es gerade, ausreichend Desinfektionsmittel, Handschuhe und Masken zu bekommen“, so Reps. In Sachen Masken würde man zunächst auf Selbstgenähte zurückgreifen können. „Ich würde mir aber wünschen, dass man Schutzausrüstung auch für den Einzelhandel zurückhalten würde.“