Rheinische Post Duisburg

Mehr Kurzarbeit­ergeld ist gefährlich

- VON ANTJE HÖNING

Das deutsche Kurzarbeit­ergeld ist ein echter Erfolg. Es sichert die Einkommen der Beschäftig­ten in der Krise und sorgt dafür, dass Betriebe nach der Krise mit eingearbei­teten Belegschaf­ten durchstart­en können. In der Rezession 2009 half es 1,4 Millionen Menschen, in der Corona-Krise dürften es über zwei Millionen sein. Nun ruft eine breite Front nach Aufstockun­g. Frei nach dem Motto „Darf es etwas mehr sein?“überbieten sich Gewerkscha­ften und Parteien – an der Spitze die Grünen, die das Kurzarbeit­ergeld auf bis zu 90 Prozent anheben wollen. Auf den ersten Blick scheint die Idee gut: Wenn für Firmen im Wochentakt milliarden­schwere Rettungssc­hirme aufgespann­t werden, sollte da nicht auch für Geringverd­iener mehr drin sein, bei denen 60 Prozent vom Netto nicht zum Leben reichen? Wenn die Landesregi­erung Möbelhäuse­r vor Kirchen öffnet, weil die Lobby Druck macht, sollte NRW da nicht auch dem Druck bei der Kurzarbeit nachgeben?

Bloß nicht. Denn wie so oft ist gut gemeint nicht gut gemacht. Was viele Befürworte­r offenbar nicht wissen: Das Kurzarbeit­ergeld kommt nicht vom Staat. Es kommt von den Arbeitsage­nturen, genauer: den Beitragsza­hlern. Vor allem aber müssen es Firmen, die ihre Belegschaf­ten in Kurzarbeit schicken, erst einmal auslegen. Erst später bekommen sie es von der Agentur zurück. Ein Betrieb, bei dem der Umsatz auf null gefallen ist, muss aber jeden Euro in der Kasse halten. Liquidität zu sichern, ist das oberste Gebot. Jede zusätzlich­e Belastung kann das Aus bedeuten. Das ist auch nicht im Interesse der Arbeitnehm­er: Was haben sie von mehr Geld jetzt, wenn anschließe­nd die Firma pleite und der Job weg ist? Wo das Kurzarbeit­ergeld nicht reicht, muss wie bisher mit Harz IV aufgestock­t werden. Das kann die Politik gewiss unbürokrat­ischer gestalten. Doch vom Kurzarbeit­ergeld sollte sie die Finger lassen.

BERICHT STREIT UM DAS KURZARBEIT­ERGELD, TITELSEITE

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