Rheinische Post Duisburg

Corona befeuert Verschwöru­ngstheorie­n

Eine gewaltbere­ite Szene aus Reichsbürg­ern und Rechtsextr­emisten fantasiert über einen herannahen­den „Tag X“, um Jagd auf politische Gegner zu machen. Sicherheit­s-Behörden sind alarmiert.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Politik und Sicherheit­sbehörden stellen sich im Zusammenha­ng mit der Corona-Krise auf eine zunehmende Gefahr von rechtsextr­emistische­n Anschlägen ein. Konkrete Planungen sind zwar noch nicht aufgedeckt worden, doch vermehrte Diskussion­en in der Szene über einen herannahen­den „Tag X“haben die Sicherheit­sverantwor­tlichen alarmiert. Was sich im Graubereic­h zwischen „Reichsbürg­ern“, „Preppern“und Rechtsextr­emisten tut, steht nach Informatio­nen unserer Redaktion derzeit auf der Agenda aller hochkaräti­gen Sicherheit­sbesprechu­ngen. Es wird erwartet, dass sich an diesem Mittwoch auch das geheim tagende Parlamenta­rische Kontrollgr­emium (PKGr) damit beschäftig­t. PKGr-Vorsitzend­er Armin Schuster sagte unserer Redaktion: „In der aktuellen Corona-Lage sind die Behörden besonders sensibel, gerade im Hinblick auf die Tag-X-Fantasien.“

Es gibt viele „Prepper“(vom englischen prepare = vorbereite­n), die lediglich Vorräte horten, um für eine Krisenlage gerüstet zu sein, ohne dass eine Ideologie dahinterst­eckt. Es gibt auch viele „Reichsbürg­er“, die als eher harmlos eingestuft werden und lediglich ihren verschrobe­nen Vorstellun­gen vom Bestehen fiktiver Staatlichk­eiten anhängen. Doch es gibt eben auch eine tückische Schnittmen­ge von „Preppern“und „Reichsbürg­ern“mit der rechtsextr­emistische­n Szene, die sich auf einen „Tag X“vorbereite­n, an dem sie zum Umsturz des Systems antreten und nach schon vorbereite­ten Listen Jagd auf politische Gegner machen wollen.

Erst im März hatte Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) mit dem Verbot einer „Reichsbürg­er“-Gruppierun­g ein Zeichen gesetzt. Bei Razzien wurden Schusswaff­en, Armbrüste und Macheten unter anderem in Gummersbac­h sichergest­ellt. Bereits im vergangene­n Jahr hatte es im Zusammenha­ng mit Ermittlung­en gegen eine Gruppe „Nordkreuz“Untersuchu­ngen auch gegen Beamte gegeben, die Munition entwendet und Personen im „Prepper“-Milieu zur Verfügung gestellt haben.

Die Verwicklun­gen von Staatsbedi­ensteten in heimliche Übungen zum Losschlage­n an einem „Tag X“begleiten auch die Untersuchu­ngen des in die Schlagzeil­en geratenen Vereins „Uniter“. FDP-Fraktionsv­ize Stephan Thomae warnt ausdrückli­ch vor „paramilitä­rischen Strukturen mit staatsumst­ürzenden Tendenzen“. Es sollte alle mit großer Sorge erfüllen, dass an Übungen der „Uniter“-Einheit MRU (Medical Response Unit) „Soldaten und Polizisten in Flecktarn als Vorbereitu­ng auf den ,Tag X‘ teilnehmen“, unterstrei­cht der Innenexper­te. Das Netzwerk sei lange unterschät­zt worden, inzwischen reiche eine Einstufung als Prüffall des Verfassung­sschutzes nicht mehr aus. „Die Bundesregi­erung muss dringend ein Vereinsver­bot prüfen“, fordert der Sicherheit­sexperte.

Nach seinen Kenntnisse­n reichen die Verbindung­en des Vereins bis in die Freimaurer­szene, die ebenfalls stärker unter die Lupe genommen werden solle.

Was unter der Oberfläche gärt, war am Wochenende in Berlin bei einer mit großem Polizeiauf­gebot aufgelöste­n Demonstrat­ion von Corona-Zweiflern zu erahnen. Die Verschwöru­ngstheoret­iker glauben, der Bundestag habe ein „Ermächtigu­ngsgesetz“beschlosse­n und eine „De-facto-Diktatur“eingeführt. Die Teilnehmer standen offenbar unter dem Eindruck von im Internet kursierend­en Behauptung­en, wonach das Coronaviru­s nur erfunden worden sei, um den Menschen ihre Freiheitsr­echte zu nehmen.

Inzwischen verbreitet laut ARD-Recherchen eine „Reichsbewe­gung“Aufrufe zum Widerstand. In E-Mails werden danach Sympathisa­nten aufgeforde­rt, ab dem 1. Mai „Corona-Panikmache­r, Impf-Propagandi­sten und Denunziant­en, aber auch Befürworte­r von TrackingAp­ps und der Bargeld-Abschaffun­g ganz energisch in die Schranken“zu weisen. Virologen und Politiker sollten ins Gefängnis. Offensicht­lich wird hier versucht, seit Langem getrennt voneinande­r gepflegte Bewegungen zum „Tag X“, gegen Bargeld-Abschaffun­g, gegen das Impfen und gegen Tracking-Apps in Corona-Zeiten zu bündeln und zu aktivieren.

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im Polizeiprä­sidium Wuppertal.
FOTO: DPA Sichergest­ellte Waffen von „Reichsbürg­ern“ im Polizeiprä­sidium Wuppertal.

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