NRW warnt vor höherem Kurzarbeitergeld
SPD, Grüne und der CDU-Arbeitnehmerflügel wollen das Kurzarbeitergeld erhöhen. Ökonomen mahnen. UnternehmerPräsident Kirchhoff warnt vor Liquiditätsengpässen. Minister Pinkwart fordert mehr Differenzierung.
DÜSSELDORF In einem sind sich alle einig: Kurzarbeit ist ein wichtiges Instrument, um Firmen und Belegschaften durch Wirtschaftskrisen zu bringen. Angesichts der Folgen des Corona-Lockdowns ist aber nun ein Streit um die Reform entbrannt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will das Kurzarbeitergeld befristet anheben. Er nannte die Forderung des Gewerkschaftsbundes plausibel, der es von 60 auf 80 Prozent der Nettoeinbußen aufstocken möchte. Das Ganze solle für die Monate Mai, Juni und Juli gelten. So könne die Kaufkraft der Beschäftigten gesichert werden, so Heil.
Derzeit erhalten Beschäftigte, deren Firmen vorübergehend nichts oder nicht genug zu tun haben, 60 Prozent des ausgefallenen Nettoentgeltes. Lebt ein Kind im Haushalt, sind es sogar 67 Prozent. Auch Auszubildende haben Anspruch. Das Kurzarbeitergeld kann bis zu zwölf Monate gezahlt werden. Das Arbeitsministerium kann die Bezugsdauer auf 24 Monate verlängern.
Heil kann sich über breite Unterstützung freuen: Auch die CDA, der Arbeitnehmerflügel der CDU, sprach sich für eine auf sechs Monate befristete Anhebung auf 80 Prozent aus. Zustimmung signalisierte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Aus seinem Haushalt würde eine Aufstockung auch nicht kommen. Zunächst ist die Bundesagentur für Arbeit gefragt, die 2019 mit einem Milliarden-Finanzpolster abschloss. Die Grüne gehen weiter: Sie fordern ein nach Einkommen gestaffeltes Kurzarbeitergeld, das auf bis zu 90 Prozent des Nettolohns steigen soll. Damit soll Geringverdienern geholfen werden. CSUChef Markus Söder will sich die „Sache genau anschauen“, wenngleich man dies zusammen mit Steuersenkungen diskutieren müsse.
Justus Haucap, Ökonom an der Universität Düsseldorf, ist dagegen skeptisch: „Ich kann verstehen, dass man die Arbeitnehmer stärker schützen möchte. Gleichwohl kommt die Leistungsfähigkeit des Staates auch irgendwann an Grenzen.“Er mahnte: „Die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes sollte daher unbedingt zeitlich begrenzt erfolgen, vielleicht für zwei Monate. Danach sollte es dann eine bedarfsorientierte Prüfung geben statt einer pauschalen Aufstockung für alle.“
Auch NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart ist skeptisch. „Eine generelle Forderung nach Aufstockung erscheint nicht zielführend, um den berechtigten Anliegen von Arbeitnehmern mit niedrigen Einkommen gerecht zu werden und gerade in den Branchen zu helfen, in denen die Arbeitgeber die Gehälter ihrer Mitarbeiter nicht aufstocken“, so der FDP-Politiker. Vielfach nutzten Betriebe bereits die Möglichkeit, das Kurzarbeitergeld steuerlich begünstigt aufzustocken, weshalb der monatliche Ausfall des Nettoeinkommens für Arbeitnehmer sehr unterschiedlich sei. „Deswegen müssen wir differenziertere Möglichkeiten in Betracht ziehen, um besonders belasteten Arbeitnehmern wirksam helfen zu können.“
Deutliche Kritik kommt von den Arbeitgebern. „Der Vorschlag des Bundesarbeitsministers hört sich nett an, ist aber unlogisch“, sagte Arndt Kirchhoff, Präsident der NRW-Vereinigung der Unternehmensverbände, unserer Redaktion. „Denn die Unternehmen müssen beim Kurzarbeitergeld in Vorleistung gehen und bekommen erst nachträglich das Geld von der Bundesagentur für Arbeit zurück. Jetzt aber kommt es darauf an, die Liquidität im Betrieb zu halten und so Unternehmen wie Arbeitsplätze zu sichern.“Über Härtefälle könne man im Einzelfall immer sprechen, dazu sieht etwa der Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Vereinbarungen vor. „Doch wir sollten kein Füllhörner ausschütten“, sagte Kirchhoff. „Zudem gehen wir davon aus, dass die Krise nicht Monate andauern wird.“
Achim Wambach, Präsident des ZEW, warnt, falsche Anreize zu setzen: „Die Bundesregierung muss aufpassen, wenn sie einerseits Maßnahmen zum Wiederhochfahren der Wirtschaft plant, es aber andererseits für Unternehmen attraktiver macht, Mitarbeiter in die Kurzarbeit zu schicken.“Der Adressat der Aufstockung und der Zeitraum der Aufstockung sollten daher gut überlegt sein.