Aus dem Leben einer Flug-Pionierin
Millenials lieben dieses Buch. Es geht um Tanja und Jerome, einer erfolgreichen Buchautorin Ende Zwanzig und einem gefragten Webdesigner Mitte Dreißig. Die beiden werden ein Paar und kriegen das am Anfang ganz gut hin, mit der Liebe und der Unabhängigkeit. Auch, weil Tanja in Berlin wohnt und Jerome in der Nähe von Frankfurt. Ihre Beziehung läuft hauptsächlich über Text-Messages und E-Mails, an langen Wochenenden besuchen sie sich. Sie analysieren ihre Beziehung ständig, immer darauf bedacht, zwischen sexpositiven Parties in Berlin und Meditation in Südhessen nicht zu bieder oder existentiell zu werden. Eigentlich eine ganz normale Liebesgeschichte, die allerdings so klug und reflektiert erzählt ist, dass sie vielleicht auch Nicht-Millenials gerne lesen könnten. Denn es geht, wie auch in den anderen Büchern des Autors, ums Glücklichsein. Und das wollen ja schließlich alle. Danina Esau
Klassik Verleger mit eigenen literarischen Ambitionen sind relativ selten. Das gilt ohne Einschränkungen auch in der klassischen Musik. Schott, Breitkopf, Peters – sie waren Buchhändler oder Drucker und sattelten ihre musikalische Neigung allenfalls obendrauf. Ganz anders der in London geborene Henry Charles Litolff (1818 bis 1891): Der Engländer war immerhin Klavierschüler beim großen Ignaz Moscheles gewesen, hatte sich 1835 als Klavierlehrer in der Nähe von Paris niedergelassen und gab dann einige ziemlich spektakuläre Konzerte in Paris, Dresden, Prag, Leipzig, Brüssel, Berlin und Amsterdam. Von 1841 bis 1844 wirkte er als Theaterkapellmeister in Warschau.
Diese Erfahrung war ein Pfund, als er 1847 nach Braunschweig ging, um dem „Henry Litolff’s Verlag“seinen – mittlerweile prominenten – Namen zu geben. Der Laden lief exzellent. 1860 ging er zurück nach Paris, wo er nur noch komponierte und Konzerte gab.
Litolffs Schaffen ist überraschend
Roman Mellie Beese, 1886 nahe Dresden geboren, war die erste Frau in Deutschland, die einen privaten Pilotenschein erwarb. Mit ihrem Mann betrieb sie eine Flugschule, trennte sich später von ihm und erkrankte an einem Herzleiden, das ihr die Fliegerei verbat. In Anlehnung an das Schicksal dieser Frau hat Aris Fioretos, schwedischer Schriftsteller griechisch-österreichischer Herkunft, einen wunderbar luftigen Roman geschrieben. Er erzählt darin von einer bereits erkrankten Flugpionierin, die sich von ihrem Mann trennt, bei BMW eine neue Stelle antritt, in eine Berliner Pension zieht und sich in eine viel jüngere Frau verliebt. Es sind tragische Wochen, erzählt aus der Ich-Perspektive, doch in einem leichten wie verwunderten Ton. Fioretos „Nelly“hat eine Leidenschaft und eine Liebe verloren und wird körperlich schwächer, doch sie bleibt bereit für Neues – und für die Liebe. Ein Roman, um den Alltag für ein paar Stunden unter sich zurückzulassen. Dorothee Krings vielseitig. Seine fünf „Konzertsinfonien“für Klavier und Orchester sind unter Liebhabern hochvirtuoser Musik bekannt. Litolff hat aber auch Opern, Lieder, Oratorien und ein Violinkonzert geschrieben – und auch Kammermusik, in der die beiden Klaviertrios einern Sonderplatz einnehmen. Hierbei handelt sich um wunderbar kreative und rassige Musik aus der Hochromantik,
die nie epigonenhaft daherkommt. Litolffs Phantasie und handwerkliche Satzkunst verbinden sich auf glänzende Weise. Die langsamen Sätze sind Kleinodien in einem ansonsten von Schwung und echter Grandezza geprägten Erlebnisraum. Das Leonore
Trio hat die Werke nun beim Label Hypérion eingespielt. Fabelhaft!
Wolfram Goertz