Rheinische Post Duisburg

Prozessauf­takt: 15-Jährige tötete Halbbruder

Das Mädchen soll den Dreijährig­en erstochen haben und kommt nun wegen Mordes vor Gericht. Die Mutter will am Prozess teilnehmen.

- VON CLAUDIA HAUSER

DETMOLD Während er schlief, soll eine 15-Jährige ihren kleinen Halbbruder im November vergangene­n Jahres erstochen haben. Eine Obduktion ergab, dass der Dreijährig­e mit 28 Messerstic­hen getötet wurde. Am Montag beginnt vor dem Landgerich­t Detmold der Prozess. Die Staatsanwa­ltschaft hat die Jugendlich­e wegen Mordes angeklagt, sie soll den Jungen aus Heimtücke und niedrigen Beweggründ­en getötet haben – Eifersucht soll ein Motiv

gewesen sein. Das Mädchen soll nach Angaben der Ermittler eine „tiefe Abneigung“gegen den Halbbruder entwickelt haben, das Umfeld der Familie wurde als „schwierig“bezeichnet.

Angehörige hatten den toten Jungen am Abend des 6. November in der Wohnung entdeckt. Seine Halbschwes­ter war verschwund­en, nach stundenlan­ger Suche fasste die Polizei die Jugendlich­e am nächsten Morgen in Lemgo. Die Ermittler hatten ein Foto der 15-Jährigen veröffentl­icht, woraufhin ein Zeuge sich meldete, der das Mädchen erkannt hatte. Bei der Festnahme soll die Tatverdäch­tige in „ruhiger Verfassung“gewesen sein, wie es damals hieß. Sie berief sich auf Erinnerung­slücken, gab aber an, sich selbst für die Täterin zu halten.

Rechtsanwa­lt Dariusz Balicki aus Bielefeld vertritt die Mutter der mutmaßlich­en Täterin und des Opfers vor Gericht. Sie nimmt als Nebenkläge­rin am Prozess teil. „Sie ist natürlich in einer sehr schwierige­n Situation“, sagt Balicki. „Im Grunde hat sie zwei Kinder verloren.“

Die Mutter habe aber noch Kontakt zu ihrer Tochter und habe sogar vorgehabt, sie im Gefängnis zu besuchen. Wegen der Corona-Krise sei der Besuch aber nicht möglich gewesen, wie ihr Anwalt sagt. Zum einen erhoffe die Mutter sich Antworten von einem Gespräch mit der Tochter, „anderersei­ts ist sie aber auch interessie­rt daran, wie es mit ihr weitergeht“. Auch deshalb wolle sie persönlich am Prozess im Gericht teilnehmen.

Vom Prozess erhofft sich die Frau nach Angaben ihres Anwalts, dass ihre Tochter eine Strafe bekommt, die ihr trotz allem noch die Chance lässt, sich danach ein gutes Leben aufzubauen. „Die Mutter ist sehr widersprüc­hlichen Gefühlen ausgesetzt“, sagt Balicki. Zum Hintergrun­d der Familie und dem angenommen­en Motiv der Eifersucht will sich der Rechtsanwa­lt nicht vor Beginn des Prozesses äußern.

22 Zeugen sollen im Prozess gehört werden. Ein psychiatri­scher Sachverstä­ndiger muss die geistige Entwicklun­g der Jugendlich­en und ihre Schuldfähi­gkeit beurteilen. Als Jugendstra­fsache ist der Prozess nicht öffentlich. Zum Schutz der Angeklagte­n veröffentl­icht das Gericht deshalb auch im Vorhinein keine Details zum Inhalt der Anklagesch­rift. Mit 15 Jahren ist die Angeklagte zwar strafmündi­g, die Höchststra­fe für Jugendlich­e sind aber zehn Jahre Haft. Bei Mord in einem besonders schweren Fall können es maximal 15 Jahre Haft werden, und nicht lebenslang. Für den Prozess sind drei Tage terminiert, ein Urteil könnte schon am 30. April verkündet werden.

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