„Wir werden viel verzeihen müssen“
Bei der Fragestunde im Bundestag stellt Jens Spahn die Bürger auf Fehler ein.
BERLIN Die Antwort von Jens Spahn macht Eindruck in der Regierungsbefragung. „Wir werden miteinander wahrscheinlich viel verzeihen müssen in ein paar Monaten“, sagt der Bundesgesundheitsminister am Mittwoch im Bundestag. In der Geschichte der Bundesrepublik habe man während einer Krise mit so vielen Unwägbarkeiten noch nie so tiefgehende Entscheidungen in so kurzer Zeit treffen müssen wie jetzt bei der Corona-Pandemie. Auch er werde in einem halben Jahr möglicherweise feststellen müssen, dass er nicht immer richtig gehandelt habe. Das wirkt souverän. Das noch Interessantere daran aber ist, wie die Frage lautete, auf die er mit dieser Fehlerkultur antwortet – und welchen Punkt er offen lässt.
Die Linke-Abgeordneten Gesine Lötzsch wollte von ihm als „erfahrenem Finanz- und Haushaltspolitiker“
wissen, ob er sich persönlich dafür einsetzen werde, dass die Bundesregierung dem Beispiel Dänemarks folge und jenen Unternehmen keine Staatshilfen auszahle, die jetzt Dividenden ausschütteten und Boni gewährten. Anfang April hatte es Berichte gegeben, dass etwa der Auto-Konzern BMW, der für etwa 20.000 Beschäftigte staatlich subventionierte Kurzarbeit beantragt hat, den Aktionären eine Dividende von insgesamt 1,64 Milliarden Euro ausschütten wolle. Der Bundestag sei sich doch einig gewesen, betonte Lötzsch, dass man Fehler schnell korrigieren werde.
Spahn sagt: „Ich wäre, Frau Kollegin, mit Ihnen einer Meinung, dass man in dieser Pauschalität wahrscheinlich gar nichts beurteilen kann, sondern man sich die Situation etwas individueller und spezifischer anschauen müsste.“Was die Korrektur von Fehlern betreffe, sei er ausdrücklich ihrer Ansicht. Aber ob die Regierung auch mit der Autoindustrie oder anderen großen Konzernen streng umgehen wird, die Staatshilfen womöglich ausnutzen könnten, sagt der CDU-Mann nicht.
Auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) steht Rede und Antwort. Die AfD will wissen, ob es eine neue Sichtweise auf die Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge geben werde, wenn der Autoverkehr so stark reduziert sei wie jetzt, aber an Messstellen trotzdem der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten werde. Scheuer, Mann des Autos, findet die Frage berechtigt und sichert Diskussionen darüber zu. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat nur Zweifel, ob sich Scheuer mit der Ampelschaltung noch gut auskennt. Die Zeit für eine Antwort beträgt 60 Sekunden, dann leuchtet die Lampe Rot. Scheuer liegt meistens darüber. Bis Schäuble ruft: „Bei Rot ist Schluss!“