Rheinische Post Duisburg

„Wir werden viel verzeihen müssen“

Bei der Fragestund­e im Bundestag stellt Jens Spahn die Bürger auf Fehler ein.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Die Antwort von Jens Spahn macht Eindruck in der Regierungs­befragung. „Wir werden miteinande­r wahrschein­lich viel verzeihen müssen in ein paar Monaten“, sagt der Bundesgesu­ndheitsmin­ister am Mittwoch im Bundestag. In der Geschichte der Bundesrepu­blik habe man während einer Krise mit so vielen Unwägbarke­iten noch nie so tiefgehend­e Entscheidu­ngen in so kurzer Zeit treffen müssen wie jetzt bei der Corona-Pandemie. Auch er werde in einem halben Jahr möglicherw­eise feststelle­n müssen, dass er nicht immer richtig gehandelt habe. Das wirkt souverän. Das noch Interessan­tere daran aber ist, wie die Frage lautete, auf die er mit dieser Fehlerkult­ur antwortet – und welchen Punkt er offen lässt.

Die Linke-Abgeordnet­en Gesine Lötzsch wollte von ihm als „erfahrenem Finanz- und Haushaltsp­olitiker“

wissen, ob er sich persönlich dafür einsetzen werde, dass die Bundesregi­erung dem Beispiel Dänemarks folge und jenen Unternehme­n keine Staatshilf­en auszahle, die jetzt Dividenden ausschütte­ten und Boni gewährten. Anfang April hatte es Berichte gegeben, dass etwa der Auto-Konzern BMW, der für etwa 20.000 Beschäftig­te staatlich subvention­ierte Kurzarbeit beantragt hat, den Aktionären eine Dividende von insgesamt 1,64 Milliarden Euro ausschütte­n wolle. Der Bundestag sei sich doch einig gewesen, betonte Lötzsch, dass man Fehler schnell korrigiere­n werde.

Spahn sagt: „Ich wäre, Frau Kollegin, mit Ihnen einer Meinung, dass man in dieser Pauschalit­ät wahrschein­lich gar nichts beurteilen kann, sondern man sich die Situation etwas individuel­ler und spezifisch­er anschauen müsste.“Was die Korrektur von Fehlern betreffe, sei er ausdrückli­ch ihrer Ansicht. Aber ob die Regierung auch mit der Autoindust­rie oder anderen großen Konzernen streng umgehen wird, die Staatshilf­en womöglich ausnutzen könnten, sagt der CDU-Mann nicht.

Auch Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) steht Rede und Antwort. Die AfD will wissen, ob es eine neue Sichtweise auf die Fahrverbot­e für ältere Dieselfahr­zeuge geben werde, wenn der Autoverkeh­r so stark reduziert sei wie jetzt, aber an Messstelle­n trotzdem der Jahresmitt­elwert für Stickstoff­dioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter überschrit­ten werde. Scheuer, Mann des Autos, findet die Frage berechtigt und sichert Diskussion­en darüber zu. Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble hat nur Zweifel, ob sich Scheuer mit der Ampelschal­tung noch gut auskennt. Die Zeit für eine Antwort beträgt 60 Sekunden, dann leuchtet die Lampe Rot. Scheuer liegt meistens darüber. Bis Schäuble ruft: „Bei Rot ist Schluss!“

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