NRW will Gastronomie im Mai öffnen
Wirtschaftsminister Pinkwart plant mit Amtskollegen aus anderen Ländern einen Neustart von Restaurants und Hotels. Die Kanzlerin äußert sich besorgt über zu schnelle Lockerungen.
VON K. DUNZ, M. PLÜCK UND G. WINTERS
DÜSSELDORF Bei der Bewältigung der Corona-Krise gehen die Kanzlerin und einige Bundesländer auf Konfrontationskurs: Während Angela Merkel (CDU) in einer Regierungserklärung am Donnerstag das Tempo bei den ersten Lockerungen der Schutzmaßnahmen als teilweise gefährlich hoch beklagte, bereiteten mehrere Länder bereits weitere Öffnungen vor.
So arbeiten NRW, Niedersachsen und Baden-Württemberg an einem Konzept für die stufenweise Wiederaufnahme des Gastronomieund Hotelbetriebs unter Einhaltung strenger Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen ab dem 4. Mai. Bis dahin hatten Bund und Länder die Einschränkungen verlängert. Ziel sei es, das Papier bis zur Ministerpräsidenten-Konferenz am 30. April vorzulegen, verlautete aus dem NRW-Wirtschaftsministerium.
Merkel stimmte die Bürger hingegen am Donnerstag auf noch lang anhaltende Beschränkungen ein und bat sie um Ausdauer und Geduld: „Lassen Sie uns jetzt das Erreichte nicht verspielen und einen Rückschlag riskieren.“Die Zahlen der Neuerkrankungen und Genesungen seien ein Zwischenerfolg, das Gesundheitssystem halte der Bewährungsprobe bisher stand. Aber: „Dieses Zwischenergebnis ist zerbrechlich. Wir bewegen uns auf dünnem Eis, man kann auch sagen: auf dünnstem Eis.“Experten aus der Gastro-Branche sehen dagegen enormen Handlungsdruck: „Für die Gastwirte ist es lebensnotwendig, dass sie so bald wie möglich wieder öffnen dürfen. Wenn das nicht passiert, droht jedem zweiten Gastronomen das Aus. Bei denen ist die Marge eh schon nicht besonders hoch“, sagte Michael Hollmann, der Chef der Privatbrauerei Bolten.
Der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in NRW, Bernd Niemeier, sagte: „Wir sind in der Gastronomie hygiene-erprobt und sehen uns in der Lage, verschärften Anforderungen zum Schutz der Kunden und Gäste gerecht zu werden.“Niemeier forderte jedoch klare Regelungen, die der Vielfalt in der Branche gerecht würden. Die wirtschaftlichen Aussichten bezeichnete er selbst mit Lockerungen ab Anfang Mai als trüb: „Wir reden derzeit über einen nahezu flächendeckenden Umsatzausfall in Höhe von 100 Prozent. Restaurants werden voraussichtlich bei einem Wiederanfahren die Zahl ihrer Tische um mindestens die Hälfte reduzieren müssen, die Kosten bleiben aber gleich oder steigen sogar wegen der Erfüllung der Anforderungen.“Hinzu komme die Konsumzurückhaltung der Gäste, die um ihre Jobs bangten.
Als Hilfe für die Gastronomie haben die Spitzen von Union und SPD allerdings soeben eine befristete Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Speisen beschlossen. Das verschaffe begrenzte Spielräume, sagte Grünen-Landeschefin Mona Neubaur unserer Redaktion. Nötig sei ein sofortiger „Rettungsschirm Gastro und Hotellerie“, wenn es nicht bald nur noch große unpersönliche Ketten geben solle, sondern weiter auch das kleine, inhabergeführte Lokal ums Eck. Lege man die vom Dehoga berechneten Mittel von über zwei Milliarden Euro zugrunde, die bundesweit zur Rettung der Gastronomie nötig seien, entfielen auf NRW rund 500 Millionen Euro, so Neubaur. Die Landesregierung müsse zudem sicherstellen, dass die Gastronomen damit nicht nur ihre gewerblichen Ausgaben, sondern auch ihre Lebenshaltungskosten finanzieren dürfen. Leitartikel, Politik, Wirtschaft