Ramadan im Krisenmodus
Der Fastenmonat stellt Muslime unter Corona-Bedingungen vor große Probleme. Selbst ein Muezzin-Ruf per Lautsprecher als gut gemeinte Geste kann problematisch sein. Der Zentralrat schlägt deshalb eine Textänderung vor.
Auf den ersten Blick haben Ramadan und Corona-Einschränkungen wenig miteinander zu tun. Wer einen Monat lang fastet und in sich geht, der macht das höchstpersönlich und scheint daher von Gottesdienstbeschränkungen und Versammlungsverboten nicht betroffen zu sein. Doch das Fasten stellt nur einen Teil der Riten dar, wie sie weltweit von vielen der knapp zwei Milliarden Muslime nun einen Monat lang begangen werden. Das gemeinsame Gebet zur umfassenden seelischen Reinigung und das allabendliche Fastenbrechen in großer Gesellschaft gehören genauso dazu. Und beides funktioniert bei diesem Ramadan im Krisenmodus nur sehr eingeschränkt oder gar nicht.
Als besondere symbolische Geste haben zahlreiche Städte und Gemeinden als Ausgleich für die massiven Einschränkungen zeitliche Ausnahmen vom Lautsprecher-Verbot zugelassen. Doch die Muezzin-Rufe lösen nun auch Verwirrung und Verärgerung aus. In Mönchengladbach kam es spontan zu Versammlungen zahlreicher Gläubiger und damit zu einem massiven Verstoß gegen die Corona-Auflagen. Als Zeichen der „Islamisierung“Deutschlands werden die Muezzin-Rufe im Umfeld der AfD vehement bekämpft. Die AfD selbst stößt sich insbesondere an den Rufen der Muezzin von Minaretten der Ditib-Moscheen, die indirekt unter dem Einfluss des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan stehen.
Der Religionsbeauftragte der Unionsfraktion und Neusser Abgeordnete Hermann Gröhe hält es für richtig, dass nicht zentral, sondern jeweils vor Ort über die Lautsprecherverstärkung der muslimischen Gebetsaufforderung entschieden wird. Denn die nachbarschaftlichen Verhältnisse seien sehr verschieden. Eines stört Gröhe jedoch an der Debatte: „Die Gleichsetzung von Muezzin-Rufen und christlichem Glockengeläut
halte ich für falsch“, sagte er unserer Redaktion. Der Muezzin-Ruf sei dafür zu sehr Glaubensbekenntnis.
Das ist auch der Ansatzpunkt für den Chef der Niederrhein-CDU und Innenstaatssekretär Günter Krings in seiner Positionierung „generell gegen öffentliche Muezzin-Rufe“. Schließlich werde damit eine „explizit religiöse Botschaft gesendet“. Er verstehe zwar, dass manche Städte das für kurze Zeit als solidarische Geste zuließen. Wenn dies aber zu Menschenansammlungen führe, sei es „richtig, wenn dort dann solche temporären Erlaubnisse auch sofort wieder zurückgenommen werden“.
Der Muezzin-Ruf ist nicht nur wegen seines Anspruches, wonach es „keinen Gott gibt außer Gott“und „Mohammed sein Gesandter“sei, ein Problem für die öffentliche Beschallung. Es gibt auch ein spezielles Corona-Problem. Denn fester Bestandteil ist auch der Ruf „Kommt zum Gebet“. Eine Lösung schlägt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime, vor: Es sei doch denkbar, die Zeile „Kommt zum Gebet“in der Corona-Zeit in „Betet zu Hause“umzuwandeln. So werde es auch schon in vielen Teilen der islamischen Welt praktiziert.
Ohnehin glaubt Mazyek, dass der „jetzt schon in jeder Hinsicht außergewöhnliche Ramadan“ein eigenes Motto bekommt: „Bleibe allein zu Hause und bete, aber du bist nicht allein.“Einzelne islamische Vordenker können den Auflagen sogar positive Seiten abgewinnen. Wenn das gemeinsame Gebet nun von der Moschee in jede Familie verlagert werde, könnten nicht nur mehr Muslime per Fernsehen und Internet erreicht werden. Hadhrat Khalifatul Masih V. wies die Mitglieder seiner Ahmadiyya-Gemeinden auch darauf hin, dass die Gebete in jeder Familie von einem erwachsenen männlichen Mitglied geleitet werden könnten. Dieses werde dafür die Schriften studieren. „So wird das Wissen wachsen, und so werden wir trotz der Einschränkung durch die Regierung
Der Ramadan hat nicht nur eine Funktion bei Fasten, Gebet und Gemeinschaft, sondern auch eine soziale Rolle